Annika Beyer: Herr Pfennig, ab Herbst veranstalten Sie gemeinsam mit der bft-Akademie zum ersten Mal zwei neue Praxiskurse zu den Themen Elektromobilität, LNG und Wasserstoff. Sind die Themen nicht zu speziell für den Mittelstand?
Auf keinen Fall. In unserem Grundwissen-Kurs in der Schulungsreihe "Was Tankstellen-Verantwortliche wissen müssen" beschäftigen wir uns unter anderem mit der Tankstelle der Zukunft. Das wird von den Teilnehmern immer sehr heiß diskutiert. Die Energiewende ist überall. Die großen Konzerne installieren Ladesäulen in hoher Stückzahl, obwohl Strom bis vor wenigen Jahren noch des Teufels war. Auch das Thema Wasserstoff hat an Fahrt aufgenommen, seit H2 Mobility deutschlandweit Standorte aufgebaut hat. Und das Netz von LNG-Tankstellen ist in den vergangenen zwei Jahren explodiert. Die Branche verändert sich und die Tankstelle hat einen hohen Veränderungsdruck. Das betrifft die Großen genauso wie den Mittelstand.
Doch die Umsetzung solcher Infrastrukturprojekte ist für den Mittelstand deutlich herausfordernder als für die Konzerne …
Das stimmt. Gerade der Mittelstand ist personell und finanziell nicht so aufgestellt wie die großen Gesellschaften, um im großen Maßstab investieren zu können. Man hat also einerseits den Druck, auf die Veränderung reagieren zu wollen und zu müssen, und andererseits oft nicht die Mittel und das Wissen, damit umzugehen. Deshalb ist als Ergänzung zum Grundwissen-Kurs die Idee entstanden, ein spezielles zusätzliches Angebot zu machen. Die Teilnehmer sollen sich informieren können, wie sie solche Projekte umsetzen können, ohne Millionen Euro in eine Anlage zu investieren, die hinterher nicht die Erwartungen erfüllt.
Wie sind die Praxiskurse aufgebaut?
Wir bilden den ganzen Lebenszyklus von der Planung bis zum Betrieb der Tankstellen beziehungsweise Ladesäulen ab – immer mit dem Ziel, die Inhalte möglichst praxis- und lösungsorientiert zu vermitteln. Zunächst gibt es eine Einführung in das Thema und die technischen Grundlagen. Bei der Elektromobilität wie auch bei LNG und Wasserstoff wird dabei erklärt, wie die Anlagen funktionieren.
Beim nächsten Punkt werden die Vorschriften erläutert, also das technische Recht. Welche Vorschriften gibt es? Inwiefern betreffen diese den Anwender und worauf muss man besonders achten, damit man sich auf sicherem Boden bewegt?
Der nächste Punkt geht sozusagen ums Machen, also um die Planung und Konzeption. Dabei schauen wir uns etwa an, wo man die Anlage konkret hinstellen kann, welche Themen ein Betreiber mit den Versorgern beispielsweise von Gas und Strom abklären muss und wie man die Bezahlvorgänge in das Kassensystem integrieren kann. Und wir sprechen darüber, wie viel Zeit einzuplanen ist, um ein solches Projekt zu realisieren. Natürlich informieren wir auch, wo es für welche Projekte Fördermittel zu holen gibt.
Wie unterscheiden sich die beiden Praxiskurse?
Für den Praxiskurs "Elektromobilität" haben wir mit dem Startup WeEnergize einen Partner gewonnen, der sich auf den Verkauf von maßgeschneiderten Ladelösungen an Einzelunternehmen spezialisiert hat. Sie prüfen beispielsweise, ob das vorhandene Stromnetz ausreicht, ob es genügend Stromanschlüsse gibt und wie ein sinnvolles Lademanagement aussieht, damit es keine Spitzen in der Netzauslastung gibt. Auch wenn für viele die Vorstellung noch neu ist, eine Ladesäule zu installieren, sollte man sich bewusst sein: Wenn man es als Tankstelle nicht macht, dann macht es jemand anderes.
Und beim Praxiskurs "Gasfüllanlagen für Wasserstoff und LNG"?
Bei den Gasfüllstationen für LNG und Wasserstoff gibt es so viele Gemeinsamkeiten, dass wir beide Themen in einem Kurs anbieten. Der Kurs ist grundsätzlich ähnlich aufgebaut wie der Praxiskurs "Elektromobilität". Er findet bei Brugg Rohrsysteme in Wunstorf statt, was den Vorteil hat, dass wir uns gemeinsam die benachbarte LNG-Tankstelle ansehen können. Auch das ist Teil unseres praxisorientierten Ansatzes.
Für wen lohnt sich die Teilnahme an den Praxiskursen?
Zur Zielgruppe gehören wie beim Grundwissen-Kurs alle Tankstellenverantwortlichen. Das geht vom Betreiber selbst über diejenigen, die die Investitionsentscheidung treffen, bis zu den Personen, die in den Fachabteilungen sitzen. Das ist deshalb sinnvoll, weil gerade solche komplexen Themen und Anlagen nicht mehr nur von einer Person bearbeitet werden, sondern von einer Vielzahl von Projektbeteiligten. Wir setzen aber explizit keine Tankstellenkenntnisse voraus, weil wir uns mit dem neuen Themenbereich Tankstelle der Zukunft beschäftigen.
Das Gespräch führte Annika Beyer.
imon Pfennig arbeitet seit vielen Jahren als Berater beim Projektmanagementunternehmen Artelia und leitet dort seit Anfang 2022 das Forum Tankstellen, die Beratungssparte für Anlagen- und Arbeitssicherheit.
Termine und Programm der Praxiskurse
Praxiskurs "Gasfüllanlagen für Wasserstoff und LNG" am 3. November 2022 bei der Firma Brugg in Wunstorf (bei Hannover)
- Technische Grundlagen von Gasfüllanlagen
- Geeignete Rohrleitungen für Gasfüllanlagen
- Vorschriften zur Genehmigung und zum Bau von Gasfüllanlagen
- Planung und Konzeption einer Gasfüllanlage für H2 oder LNG
- Besichtigung einer Gasfüllstation (LNG)
- Kosten und Fördermöglichkeiten
- Verantwortlichkeiten im Betrieb
Praxiskurs "Was Sie zu Elektro-Ladestationen wissen müssen" am 19. Oktober 2022 in der Classic Remise, Düsseldorf, und am 23. November 2022 im Audi-Forum, Ingolstadt
- Technische Grundlagen
- Vorschriften zum Bau von Ladestationen
- Planung und Konzeption einer Elektroladestation
- individuelle Beratung, Erfahrungsaustausch & Networking
- Kosten und Fördermöglichkeiten, Einnahmen
- Verantwortlichkeiten im Betrieb
- Zusammenfassung und Fragen
Grundwissen-Kurs "Was Tankstellen-Verantwortliche wissen müssen": 21. und 22. September 2022 bei der Firma Brugg in Wunstorf (bei Hannover)