Es ist der Klassiker in der Tankstellenbranche: Die Mineralölgesellschaft kündigt das Vertragsverhältnis, aber es kommt zu keiner Einigung über die Höhe des Handelsvertreterausgleichs. Bei der Schlichtung einer solchen Uneinigkeit sorgten Ende 2016 eine MÖG und ihr Pächter für eine Premiere: Der Fall wurde vor dem Schiedsgericht der Tankstellenbranche verhandelt, das vor fast einem Jahr im Rahmen des Verhaltenskodex ins Leben gerufen wurde. Bemerkenswert dabei ist die Tatsache, dass die MÖG diesen Weg vorgeschlagen hat.
Da beide Seiten eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet haben, kann Rechtsanwältin Ingeborg Haas von der Kanzlei Dr. Haas & Partner keine inhaltlichen Details verraten. Über den Ablauf des Verfahrens kann die Vertreterin des Pächters dagegen mehr erzählen: „Wir haben als Anspruchssteller den Antrag gestellt und uns als Verfahrensvariante für das Regelschiedsverfahren entschieden, was die MÖG auch akzeptiert hat.“
Zeit für Diskussionen
Bereits vor dem Treffen haben die Seiten schriftlich ihre Auffassung ausgetauscht und sich anschließend in der Geschäftsstelle des Schiedsgerichts, der IHK Hagen, getroffen. Dort legten die Parteien nach einer kurzen Einführung von Schiedsrichter Volker Brüggemann ihre Sicht der Dinge dar. „Wir haben in der dreistündigen Verhandlung Schritt für Schritt jede einzelne Position im Abrechnungsschema des Handelsvertreterausgleichs durchgesprochen. Am Schluss kam ein Betrag raus, der für alle Beteiligten nachvollziehbar war“, erzählt Haas und ergänzt: „Das habe ich, aber nach meiner Wahrnehmung auch die Gegenseite, als sehr positiv empfunden.“
So überrascht es nicht, dass die Rechtsanwältin insgesamt ein positives Fazit zieht: „Gerade Themen wie der Handelsvertreterausgleich eignen sich für das Schiedsgericht, weil hier Diskussionsspielraum besteht.“ Bei grundlegenden Rechtsfragen wie der Kassenpacht sei dagegen wohl ein klassisches Gericht geeigneter. „Allerdings kann ein Pächter auch hier versuchen, vor dem Schiedsgericht zumindest einen Teil des Betrags zu erstreiten“, sagt Haas.
Prinzipiell hält sie das Schiedsgericht für ein geeignetes Instrument zur Streitschlichtung. „Aber es kann natürlich auch passieren, dass die Verhandlung deutlich länger dauert als bei Gericht oder dass sich beide Seiten trotzdem nicht einigen und am Ende vors normale Gericht gehen.“ Im vorliegenden Fall sei diese Vorgehensweise erfolgreich gewesen, weil beide Seiten kompromissbereit waren. „Wer von vornherein auf seinem Standpunkt beharren will, wird beim Schiedsgericht wahrscheinlich keine Lösung finden“, prognostiziert die Rechtsanwältin.
(Autorin: Annika Beyer. Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 1./2.2017)
Mögliche Verfahrensvarianten vor dem Schiedsgericht:
- Regelschiedsverfahren: Schlichtungsverfahren, bei dem die Parteien unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage und dem Inhalt des Verhaltenskodex der Tankstellenbranche zu einer gütlichen Einigung bewegt werden sollen;
- Schiedsgerichtsverfahren: Ähnlich dem staatlichen Gerichtsverfahren, bei dem der Schiedsrichter am Ende eine Entscheidung fällt, die von allen Parteien akzeptiert werden muss;
- Mediationsverfahren: Von den Parteien allein ausgearbeitete Lösung, bei der der sogenannte Mediator nur verfahrensverantwortliche und nicht inhaltsverantwortliche Person ist.
Weitere Informationen finden Sie unter www.schiedsstelle-tankstelle.de