In der US-amerikanischen Serie „How I met your mother“ gibt es in der vierten Staffel eine Folge mit dem Titel „Der beste Burger der Stadt“. Darin erinnert sich einer der Hauptdarsteller an ein New Yorker Restaurant mit einer grünen Eingangstür, in dem er acht Jahre zuvor den besten Burger der Stadt gegessen hat. Den Rest der Folge suchen die Freunde nach dem Laden, um am Ende tatsächlich fündig zu werden.
Nun werden Sie sich vermutlich fragen, was die Serie mit einer Tankstelle in Dessau zu tun hat? Auch hier ist in Anlehnung an die Serie eine Eingangstür grün gestrichen und auch hier gibt es mutmaßlich den besten Burger der Stadt – auch wenn das in Dessau vermutlich ein leichter zu erreichendes Ziel ist als in New York. Unter der Marke „Fleischwolf unvegan“ haben Andreas und Steffen Strömer, Geschäftsführer von Stracke Ladenbau, gemeinsam mit dem früheren Schulfreud Marcus Knak Ende Juni das Restaurant in einer Aral-Tankstelle in Betrieb genommen – aufgrund von bürokratischen Schwierigkeiten mit dem Bauordnungsamt ein paar Wochen nach dem ursprünglich anvisierten Termin.
Drei Männer, Bier, eine Idee
Die Idee für das Konzept entstand bereits vor fünf Jahren. „Wir wollten etwas Rundes entwickeln, wo die Einrichtung, das Essen und der Betreiber zueinander passen“, erinnert sich Andreas Strömer. Der erste Schritt war das Food-Konzept Burgeria, das aber aufgrund eines Markenrechtsstreits mit Burgerista wieder eingestellt werden musste. „Mein Bruder und ich saßen dann mal abends an der Bar und haben uns überlegt, wie wir das ganze Thema weitergefasst angehen können“, erzählt der 32-Jährige. Herausgekommen ist die Marke Fleischwolf, die sie vor eineinhalb Jahren angemeldet haben.
Im nächsten Schritt ging es auf die Suche nach einem Standort, an dem das Konzept umgesetzt werden sollte. Zur Auswahl standen zwei Tankstellen und ein Freestander in Dessau. „Wir haben uns dann für eine Tankstelle entschieden, weil das die größte Challenge war. Die Station lief vorher total schlecht mit einem Absatz von nur 140.000 Litern“, sagt Strömer. Die Herausforderung lag also darin, ein Food-Konzept für eine Tankstelle zu entwickeln, damit sie auch mit einem schlechten Kraftstoffabsatz überleben kann. Die Unternehmer haben die Aral-Station vom Eigentümer gepachtet. Der Deal: Im bereits Anfang der 90er Jahre errichteten Gebäude dürfen die Betreiberneulinge machen, was sie wollen. Der Forecourt bleibt unverändert im Aral-Blau gebrandet.
Marke mit Leben füllen
Nachdem der Standort feststand, ging es an die konkrete Entwicklung des Konzepts. „Die Marke mit Leben zu füllen, hat uns anfangs schon etwas überfordert, weil wir mit Stracke Ladenbau ja auf den Möbelbau und Marketing spezialisiert sind und nicht auf den operativen Betrieb einer Tankstelle. Das alles ist uns eine Nummer zu groß geworden“, gesteht der Unternehmer. Deshalb haben die Brüder mit Knak einen echten Food-Spezialisten ins Boot geholt. Der ehemalige Schulkamerad betreibt seit zehn Jahren mit Rockandroll Food ein Catering-Unternehmen, das vor allem auf Festivals Essen aus Food Trucks verkauft.
Knak kennt sich nicht nur mit Essen, sondern auch mit dem nicht ganz einfachen Thema Personal aus. „Bei Stracke Ladenbau arbeiten zwar auch fast 100 Leute, aber Personal an der Tankstelle ist schon ein eigenes Völkchen“, sagt Strömer. Inzwischen stammt kein Mitarbeiter mehr aus dem Team des früheren Pächters, die sieben Angestellten für die Kasse und das Bistro haben die Tankstellenchefs über Facebook gefunden. „Alle wollen immer Personal mit zehn Jahren Tankstellenerfahrung. Dabei lernt man in zwei Schichten, wie man eine Kasse bedient“, ist Strömer überzeugt. Wichtiger sei Höflichkeit und der Wille, einen guten Job zu machen.
Neben gutem Personal ist natürlich auch die Speisekarte entscheidend für den Erfolg einer Tankstelle. Das Ziel von „Fleischwolf unvegan“: klassisches Essen an der Tankstelle neu interpretiert. Dafür tüftelten die Geschäftsführer monatelang an den Rezepturen, Familie, Freunde und Kollegen mussten für Testessen herhalten und nicht zuletzt wurden die Preise kalkuliert, die auch die Kunden bereit sind zu zahlen. „Wir haben alles unzählige Male umgeschmissen, bis alles gepasst hat“, erzählt Strömer.
Das Fleisch kommt von einem regionalen Metzger und „hatte bis vor einer Woche noch Puls“. Es wird in einer Küche im Nachbarort von Knak und zwei Köchen vorbereitet: Die Patties werden dort roh portioniert, eingefroren und erst nach der Bestellung in der Tankstelle auf den Kontaktgrill gelegt. „Es kommt convenient hier an und die Mädels müssen das nur noch finishen“, erklärt Strömer das Konzept. Was übrig bleibt und noch frisch ist, wird im Catering weiterverwendet.
Geile Pommes
Als Beilage muss es natürlich etwas aus Kartoffeln sein. „Die Pommes haben wir extra gecastet. Wir wollten eine richtig geile Pommes, die auch noch nach einer halben Stunde bissfest ist“, betont der Fleischliebhaber. Zum Kartoffelstampf gibt es als Topping Bratensauce oder Pulled Pork. „Das sieht etwas unfotogen aus, schmeckt aber lecker“, sagt der 32-Jährige schmunzelnd. Bestellt werden kann entweder an der normalen Shopkasse oder direkt im Restaurantbereich. Wenn die Zubereitung etwas länger dauert, weil gerade mehr Kunden da sind, erhält der Gast einen Pager, der piept, wenn das Essen fertig ist. Neben den Burgern gibt es Bemmen, Baguettes und Flutes, die die Mitarbeiter im Ladenbackofen Dila 5/5 von Debag mit automatischer Reinigung und Türschließautomatik aufbacken.
Separate Wahrnehmung
„Wir haben jahrelang gepredigt, die Kasse und den Backshop direkt nebeneinanderzustellen, um Personal zu sparen“, sagt Strömer. In ihrer Tankstelle haben die Ladenbauer die beiden Bereiche bewusst getrennt. „Wir sind ja kein klassischer Backshop und auch kein Clip-in wie an anderen Tankstellen“, betont er. Mit „Fleischwolf unvegan“ wolle man vielmehr separat wahrgenommen werden und sich als kompetente Gastronomie herauskristallisieren. Die Kunden sollen nicht sagen „Ich fahre zur Tanke“, sondern „Ich fahre zum Fleischwolf“.
Überhaupt haben die Tankstellenbetreiber jetzt einen anderen Blickwinkel auf die Arbeit in der Tankstelle. „Eigentlich war nichts leicht. Tatsächlich war alles anstrengend: das Vertragswerk mit Aral, das Agenturgeschäft, das Thema Versicherung, die Warenbestellung, Mitarbeiter“, resümiert Strömer.
Doch dann tritt Knak an seine Seite und macht den Geschäftspartner auf zwei Gäste aufmerksam, die am Fenster sitzen: einen Teenager, der gerade beherzt in einen Burger beißt, und seine Großmutter, die Kartoffelstampf mit Bratensauce aus dem Becher löffelt. „Aber wenn wir dann das sehen, geht uns das Herz auf und wir wissen, dass wir alles richtig gemacht haben“, freut sich Knak.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 8/2018.)