Für die zweite Auflage unseres Sprit+ Spezials Bauen haben wir uns bei den Gesellschaften mit mindestens 200 Tankstellen umgehört, welche Rolle das Thema Bauen in ihrem Unternehmen spielt. Konkrete Zahlen zu den Projekten und den Investitionssummen lieferten vor allem die großen Mittelständler, während sich die A-Gesellschaften eher bedeckt hielten. Platzhirsch Aral sowie Oil! haben es leider nicht geschafft, den Fragebogen ausgefüllt zurückzusenden.
Egal ob 200 oder 1.000 Tankstellen, derzeit wird fast überall investiert, vor allem in Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen. Dabei geht es insbesondere darum, die in den vergangenen Jahren neu entstandenen Konzepte wie Rewe to go bei Aral, Synergy bei Esso, T-Air bei Total, Viva bei OMV oder das Star-Zukunftskonzept der Orlen auf alle Standorte auszurollen und so einen einheitlichen Standard im Netz zu schaffen. Ziel ist es, den Anforderungen einer veränderten Mobilität und dem sich wandelnden Essverhalten der Kunden gerecht zu werden und mit entsprechenden Angeboten zu bedienen.
Aral: Umrüstung ausgesetzt
Auch wenn Aral keinen ausgefüllten Fragebogen zurückgesendet hat, äußert sich Pressesprecher Detlef Brandenburg immerhin zum vorläufigen Umrüstungsstopp der unternehmenseigenen Tankstellen auf Rewe to go: Aral und Rewe haben in den zurückliegenden zwei Jahren das Rewe-to-go-Konzept an insgesamt 465 Aral-Stationen umgesetzt. Bisher habe der Fokus dabei auf dem Ausbau des Netzes gelegen, erklärt Brandenburg. Das erste Halbjahr 2019 wollen die Partner nun dazu nutzen, „neue Erkenntnisse und neues Wissen in die Shops zu bringen und diese entsprechend zu optimieren“. Im Juni soll die Umrüstung fortgesetzt werden, um das geplante Ziel von bis zu 1.000 Rewe-to-go-Shops bis Ende 2021 zu realisieren.
Shell: alternative Kraftstoffe
Mit knapp 2.000 Tankstellen ist Shell die zweitgrößte Marke auf dem deutschen Markt. Eine genaue Anzahl von Neu- und größeren Umbauten für das vergangene und laufende Jahr will die MÖG nicht nennen. „Die Frage auf Tankstellenneu- oder große Umbauten zu reduzieren, wird den gesamten Netzaktivitäten unserer Meinung nach nicht gerecht. Neben Neubauten investieren wir etwa auch in Stationen, die Markenpartner früher unter anderer Marke und jetzt unter der Marke Shell führen“, erklärt Pressesprecherin Cornelia Wolber. Nicht unerheblich seien darüber hinaus Investitionen in die alternative Kraftstoffinfrastruktur. So koste jede Wasserstoffzapfsäule, die Shell im Rahmen von H2 Mobility an Tankstellen errichtet, jeweils rund eine Million Euro. Die Investitionen für LNG-Anlagen liegen bei rund einer bis 1,5 Millionen Euro.
Im Zentrum der Netzplanung stünden die Bedürfnisse der Kunden, betont Wolber weiter. Ebenso wichtig seien alle Aspekte rund um die Sicherheit, den effizienten Umgang mit Energie und die Entwicklung des Shops zum One-Stop-Shop. Insgesamt wurde laut Wolber bei Shell in den vergangenen Jahren mehr investiert, da die Konzepte anspruchsvoller und die Investitionen entsprechend höher werden.
Total: weiter wachsen
Bei Total setzt man weiter auf Wachstum und hat das Netz 2018 um 29 Tankstellen erweitert, davon fast zehn Neubauten und 21 Übernahmen. Beim 80 Stationen starken Netz von Automatentankstellen unter der Marke AS 24 sind zwei neue Standorte hinzugekommen. Im bestehenden Netz führt die Berliner MÖG weiterhin ein umfassendes Modernisierungsprogramm durch: So wurden mittlerweile 500 Tankstellen auf das neue energieeffiziente Tankstellendesign umgerüstet, auf den Dächern von 110 Total-Stationen wird inzwischen Strom mittels Photovoltaikanlagen erzeugt. Ebenfalls das Thema Nachhaltigkeit betreffen die Pläne für die Ladeinfrastruktur: 2019 will Total in den Bau von einem Dutzend 130-Kilowatt-Ladesäulen investieren. Fahrer von Wasserstofffahrzeugen finden an rund 20 Total-Stationen eine Tankmöglichkeit.
Weiterhin setzt die Gesellschaft auf Lkw-freundliche Tankstellen. Bei den Autohöfen erreicht die MÖG mit fast 50 Standorten in Deutschland einen Marktanteil von rund 20 Prozent. Bundesweit hat das Unternehmen für 2019 rund zwei Dutzend neue Netzpunkte in der Pipeline, darunter mehr als 60 Prozent Lkw-freundliche Stationen. Zudem plant die MÖG fünf neue AS-24-Standorte.
Esso: Umstellung auf Synergy
2018 stand für Esso im Zeichen des Verkaufs des Tankstellennetzes an die EG Group, der am 1. Oktober abgeschlossen war. Damit einher ging die Umstellung des Kassensystems auf TMS von Scheidt & Bachmann sowie die Umrüstung der Tankstellen auf den Synergy-Markenauftritt. Neben dem Angebot an verbesserten Kraftstoffen beinhaltet das Konzept eine neue Außendarstellung der Standorte. Mit frischen Elementen wie der sogenannten Wave vor den jeweils ersten Zapfsäulen, LED-Beleuchtung und einem neuen Farbkonzept – die Kraftstoffpumpen sehen künftig blau aus – sollen die unter dem Esso-Logo stehenden Stationen deutlich aufgeräumter und einladender wirken.
„Wir investieren seit 2017 massiv in die Modernisierung unseres Tankstellennetzes“, sagt Tim Paulsen, Markenpartner Sales Manager bei Esso. Für 2018 nennt er 436 Umbauten, 2019 sollen weitere 150 folgen. Damit sollen in diesem Jahr alle Stationen mit dem neuen Design ausgestattet sein. „Seit Oktober nehmen wir diese Arbeiten in enger Abstimmung mit unserem Markenpartner EG vor“, ergänzt Paulsen.
JET: Effizienz und Kundenfokus
Man investiere kontinuierlich in Ausbau, Qualität und Modernisierung des Tankstellennetzes, heißt es bei JET. Die Bautätigkeit umfasste 2018 eine „kleinere Anzahl von Neu- und Umbauten“, eine Summe für die Aktivitäten wollten die Hamburger nicht nennen. Auch zu den Plänen für das laufende Jahr äußert sich Oliver Reichert, neuer Geschäftsführer Tankstellengeschäft, nur vage: „Wir planen für 2019 neben der Neueröffnung von weiteren Standorten größere Investitionen in die Modernisierung unseres Tankstellennetzes.“
Bei den Bauprojekten orientiere man sich an den Bedürfnissen der Kunden, die das Unternehmen ständig beobachtet und analysiert. „Dabei überprüfen wir immer wieder, ob unsere Angebote unseren Kunden das Leben leichter machen und somit unserem Markenprofil entsprechen“, betonte Reichert. Effizienz und Kundenorientierung stünden daher im Fokus der täglichen Arbeit, sie seien aber auch die Treiber hinter den Konzepten für den Ausbau und die Erneuerung des Tankstellennetzes. Selbstverständlich beobachte man zudem die Relevanz von alternativen Energiequellen sehr genau.
Orlen: für die Zukunft gerüstet
Orlen hat 2018 zwei Neubauten ins Netz aufgenommen und 59 größere Umbauten durchgeführt. Für dieses Jahr sind weitere fünf Neubauten geplant, bei den Umbauten rechnet das Unternehmen mit einer ähnlichen Größenordnung wie im vergangenen Jahr. Wie viel die Elmshorner dafür ausgeben, wollten sie nicht verraten. Orlen kündigt jedoch an, den 2017 gestarteten Roll-out des modularen Star-Zukunftskonzepts weiterzuführen und kräftig in das Tankstellennetz zu investieren. Dabei sollen die sich wandelnden Kundenbedürfnisse und die lokalen Gegebenheiten in Einklang gebracht werden. Hinzu kommen Ausgaben für den höheren Instandhaltungsbedarf und ein zunehmender Ankauf von Tankstellen von Eigentümern.
Eni: Non-Food-Bereich stärken
Aus der Deutschland-Zentrale der Eni in München kamen leider keine konkreten Zahlen zu ihren Bauvorhaben. Hier heißt es lediglich: Eni Deutschland verfolgt eine kontinuierliche Wachstums- und Modernisierungsstrategie, für die jährlich ein angemessenes Investitionsbudget zur Verfügung steht. Bei der Realisierung der Bauprojekte liegt der Fokus von Eni Deutschland auf der Stärkung des Non-Oil-Bereiches, auf Coffee- und Food-Kompetenz sowie der Installation von Adblue-Zapfsäulen.
HEM: Schlagzahl erhöhen
Auskunftsfreudig war dagegen die Deutsche Tamoil: Mit acht neuen Tankstellen im Jahr 2018 zeigt das Unternehmen rege Bauaktivitäten. Zudem wurden laut Geschäftsführer Carsten Pohl diverse Tankstellen modernisiert und umgebaut. Rund 20 Millionen Euro hat die Hamburger Mineralölgesellschaft in den Ausbau und die Modernisierung des Netzes gesteckt, insgesamt lag die Investitionssumme für diese Maßnahmen in den vergangenen zehn Jahren bei über 200 Millionen Euro. „2019 wollen wir die Schlagzahl erhöhen und über zehn HEM-Tankstellen neu eröffnen und darüber hinaus in etwa genauso viele Umbauten vornehmen“, kündigt Pohl an. Dafür sei eine Erhöhung des Budgets um 50 Prozent geplant.
Investieren will die Deutsche Tamoil vor allem in die Ladeinfrastruktur. An rund 20 Stationen hat das Unternehmen E-Ladesäulen mit einer Leistung von zunächst 50 Kilowatt installiert. In den kommenden Monaten soll gemeinsam mit dem Partner Allego die erste Mega-E-Ladeeinheit mit bis zu 350 Kilowatt aufgestellt werden. Zudem werden alle Neubauten mit einer Adblue-Zapfsäule für Pkw und je nach Bedarf auch für Lkw ausgestattet, um die Betankung für die Kunden so einfach wie möglich zu machen.
OMV: Schwerpunkt auf BAB
Bei der OMV hat man sich 2018 intensiv um das Rebranding der neun neu gewonnenen Bundesautobahn-Tankstellen gekümmert und zum anderen neun weitere größere Modernisierungsmaßnahmen realisiert. Dabei handelte es sich meist um Komplettumbauten im Shop und die Umsetzung des neuesten Viva-Shop- und Gastrokonzepts. 2019 plant die OMV die Eröffnung von zwei Neubauten und zwei Übernahmen sowie den umfangreichen Umbau von zehn Standorten, inklusive dem Upgrade auf das Viva-Design in Shop und Gastronomie. Etwa 25 Standorte sind für weitere Modernisierungsmaßnahmen vorgesehen, teilweise ebenfalls mit Upgrade auf das aktuelle Design. Neben diesen Maßnahmen will die MÖG in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern H2 Mobility und dem Energieversorgungsunternehmen EnBW das Angebot an alternativen Kraftstoffen konsequent weiter ausbauen.
Schwerpunkte der Investitionen in 2019 sind erstens der weitere Ausbau an qualitativ hochwertigen Standorten, zweitens die Erweiterung des Viva-Angebots und drittens die laufende Modernisierung des OMV-Markenerscheinungsbildes an bestehenden Stationen. Dafür plant die OMV für 2019 und auch für die Folgejahre deutlich höhere Investitionen als noch vor fünf Jahren.
Westfalen: neue Wege gehen
Westfalen meldet für das Jahr 2018 den Neubau einer Markant-Automatentankstelle in Düsseldorf, den Neubau einer Markant-Großtankstelle in Lünen sowie die Umsetzung des Gastronomiekonzepts „Zum Glück“ in Gelsenkirchen. Darüber hinaus wurde die Westfalen-Tankstelle in Greven mit dem Lekkerland-Frischwerk-Konzept ausgestattet und eine dreispurige Lkw-Waschanlage in Münster eröffnet. Insgesamt hat die Münsteraner Gesellschaft dafür zehn Millionen Euro ausgegeben.
Auf diesem Niveau soll sich auch in diesem Jahr die Investitionshöhe belaufen. Dafür sind schon einige Projekte in der Pipeline. „Zurzeit warten wir auf Baugenehmigungen für weitere Tankstellen und einen zusätzlichen Waschpark. Darüber hinaus sind wir bereits in der Umsetzungsphase für einen anderen Standort mit Lekkerland-Frischwerk-Konzept“, sagt Andre Stracke, Leiter Bereich Tankstellen bei Westfalen. Für weitere Projekte bereite die unternehmenseigene Abteilung Bau & Technik die Bauanträge vor.
Q1: Markenbild stärken
Mit 198 Straßen- und zwei Automatentankstellen hat es die Q1 knapp in die Umfrage geschafft. Für einen Neubau in Westerrönfeld mit Oase Shop & Bistro und vier Umbauten haben die Osnabrücker 2018 rund 2,5 Millionen Euro in die Hand genommen. Für 2019 stehen ebenfalls ein Neubau in Deggendorf sowie sechs Umbauten auf der Agenda, wofür das Unternehmen rund vier Millionen Euro eingeplant hat.
„Bei unseren Bauprojekten geht es in erster Linie darum, das Markenbild zu stärken und gleichzeitig die One-Stop-Shop-Utility für den Kunden durch Ausweitung und Optimierung des Dienstleistungsangebots zu erhöhen“, sagt Frederick Beckmann, Vorstand Unternehmensentwicklung bei Q1, und ergänzt: „Wo sinnvoll, setzen wir bei unseren Umbaumaßnahmen auch auf die Ausweitung des Kraftstoffangebots beziehungsweise die Hinzunahme von Adblue.“ Gutes Design und ansprechende Architektur sowie Nachhaltigkeit seien bei allen Projekten von Wichtigkeit und Ausdruck der Q1-Unternehmenskultur sowie des Markenbildes.
Bauanträge als Hürde
Und der Mittelstand? Aufgrund der Vielzahl der Gesellschaften mit mehreren Dutzend Tankstellen war hier keine Umfrage möglich. In Gesprächen mit einigen Geschäftsführern zeigt sich aber grundsätzlich eine gewisse Baufreudigkeit, die allerdings durch die oft langwierigen Genehmigungsverfahren bei den Behörden und hohe Grundstückspreise eingebremst wird. Wenn jedoch gebaut wird, dann in der Regel größer, um den Platz für ein breiteres Gastronomiekonzept zu schaffen, weiß Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbands freier Tankstellen (BFT) von seinen Mitgliedern.
Aus seiner Tätigkeit als Tankstellenfachmakler kommt Rolf Boeckel zu folgendem Schluss: „Es werden nach unserer Einschätzung etwas weniger neue Tankstellen auf der grünen Wiese gebaut.“ Der Grund: Die Gesellschaften haben die Anforderungen an den Kraftstoffabsatz nach oben geschraubt, wodurch nur noch sehr gut gelegene Standorte mit einem hohen Absatzpotenzial in Frage kommen. Deren Grundstückspreise sind aber insbesondere in Innenstadtlage für eingeschossige Bebauung unerschwinglich geworden. „Die Komplettabrisse mit Neubauten auf bestehenden Grundstücken dürften sich hingegen nach wie vor leicht in die Höhe bewegen“, schätzt Boeckel. Diese Neubauten tragen dem erhöhten Platzbedarf für mehr Gastronomie Rechnung, stimmt der Fachmakler Zieger zu.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien im Sonderheft Bauen 2019)