Wegfahrer sind ein übles Problem an Tankstellen. Aber eigentlich schädigen sie die Mineralölgesellschaften, weil der Verkauf des Treibstoffs – und in manchen Fällen auch der Shop-Ware – im Namen und auf Rechnung der MÖG erfolgt. Bis zum Verkauf ist es die Ware der MÖG, die da geklaut wird.
Nun bekommt der Pächter in der Regel die Kosten nur ersetzt, wenn er die Wegfahrer bei der Polizei anzeigt. Damit wird von ihm der Nachweis erbracht, dass er sich auch um die Agenturware kümmert. Tankstellenunternehmer wissen das. Aber leider weiß das wohl nicht in allen Fällen auch die Polizei, wie ein Mandant von mir nun schmerzhaft erfahren musste. Ich berichte nur ungern von konkreten Fällen, aber hier scheint es mir nötig, auf Gefahren im Umgang mit der Polizei hinzuweisen.
Der Kunde hatte seine Tochter geschlagen
Was ist passiert? Bei meinem Mandanten legte sich eines Abends gegen 20 Uhr ein Kunde mit dem Tankstellenpersonal an. Er hatte seine kleine Tochter dabei, welcher der Kunde eine kräftige Ohrfeige gab. Das war dem Mitarbeiter der Tankstelle zu viel und er rief die Polizei. Bis diese eintraf, war der Kunde weg.
Der Mitarbeiter schilderte den Polizisten den Fall und wurde von diesen gefragt, ob es dazu auch eine Video-Aufzeichnung gebe. Natürlich gab es die, aber der Raum war abgesperrt und der Pächter schon zuhause. Der Pächter wurde angerufen, um der Polizei die Videoaufzeichnung auszuhändigen. Dieser verwies jedoch darauf, dass es nun schon sehr spät und er weiter weg sei. Er wollte nicht zur Tankstelle kommen. Man einigte sich auf einen Anruf am nächsten Tag.
Einer der Polizisten rief wie vereinbart am Folgetag an und forderte den Pächter auf, aussagefähige Dateien der Videoaufzeichnung zu speichern, damit diese abgeholt werden könnten. Bei dem Gespräch meinte der Pächter dann, es möge jemand von der Polizeidienststelle mit einem USB-Stick vorbeikommen, da er selbst keinen zur Verfügung habe und diesen erst mit erheblichem Aufwand für ihn besorgen müsste. Der Polizist entgegnete, er sei kein Fahrservice und habe außerdem selbst auch keinen USB-Stick. Dann war das Gespräch zu Ende.
Etwa zwei Wochen später meldete sich der Polizist wieder und fragte, wo nun die Aufzeichnungen seien. Der Pächter verwies darauf, dass die Aufzeichnungen alle 72 Stunden überschrieben würden und damit nicht mehr vorhanden seien.
Wiedersehen vor Gericht
Ein halbes Jahr später musste sich der Pächter auf der Anklagebank für eine versuchte Strafvereitelung verantworten. Die Strafe laut Strafbefehl belief sich auf satte 3.000 Euro. Das wäre eine Vorstrafe gewesen.
Das wird sich doch sicher in der Verhandlung dann erledigt haben . aber nein, es wurde noch schlimmer: Die Richterin folgte in ihrer Beurteilung des Sachverhalts dem Polizisten, der meinte, der Pächter hätte ihm einen USB-Stick mit den Aufzeichnungen zur Verfügung stellen müssen. Sie sah es als ein Versäumnis des Pächters, dass er nicht gleich darauf hingewiesen hatte, dass die Dateien nach drei Tagen überschrieben werden. Das habe alles in seiner Verantwortung gelegen. Dass die anderen Ermittlungen des Polizisten in punkto Wegfahrer trotz Vorlage des Nummernschildes nicht zum Erfolg führten, spielte dabei keine Rolle. Es ging nur darum, dass der Pächter nicht ausreichend mitgeholfen habe.
Wollte sich der Polizist rächen?
Der Polizist war 21 Jahre alt und erst drei Monate in der Dienststelle. Er kannte den Angeklagten und führte vor Gericht aus, dieser habe einmal 150 Fälle von Wegfahrern auf einmal vorgelegt, ohne ihm dazu Video-Material zur Verfügung zu stellen. Das hielt er für ein starkes Stück, weil er einen Haufen Arbeit hatte, ohne dass dazu Ermittlungen möglich waren. Nun war es ihm offensichtlich zu bunt geworden und er ermittelte seinerseits dann von Amts wegen gegen den Pächter wegen der Strafvereitelung. Außerdem verkündete er im Gerichtssaal, man könne dem Angeklagten kaum glauben, dass die Aufzeichnungen nach 72 Stunden überschrieben würden. Schließlich habe es auch andere Fälle bei ihm gegeben, wo noch nach längerer Zeit Aufzeichnungen vorhanden waren.
Die Richterin wollte meinen Mandanten dann auf die Aussagen des Polizisten hin verurteilen. Nur mit größter Mühe gelang mir eine Einstellung gegen 3.000 Euro, sodass mein Mandant doch nicht vorbestraft ist.
Die Moral von der Geschicht´: Die Aussage meines Mandanten, auf die Überschreibung nach drei Tagen hingewiesen zu haben, stand der Aussage des Polizisten, davon habe er nichts gesagt, gegenüber. Die Aussagen wurden nur telefonisch gemacht. Man sollte in solchen Fällen schriftlich mit der Polizei verkehren. Dann sind so wichtige Punkte beweisbar.
Ungeschickt und provozierend
Und man sollte sehr vorsichtig mit der Polizei umgehen, selbst wenn diese verbal ungeschickt und provozierend auftritt. Das Gericht glaubt in der Regel eher einem Polizisten als einem Angeklagten. Das kann für Letzteren später finanziell sehr schmerzhaft werden.
Es hilft auch, wenn man bei der Anzeigenaufgabe gegen Wegfahrer der Polizei erklärt, warum man das macht. In meinem Fall empfand der Polizist es als Unverschämtheit, dass der Pächter ihm die Anzeigen nur hereinreichte, "weil er dann mit der Versicherung abwickeln wollte", wie er vor Gericht sagte.
Stellen Sie sich einfach vor, dass Sie es bei der Polizei mit Freunden zu tun haben und seien sie nett. Dann hilft sie Ihnen bestimmt auch.