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Forschung: Wasserstoff aus Diesel

06.04.2016 12:47 Uhr
Forschung: Wasserstoff aus Diesel
In einem von der EU finanzierten Wissenschaftsprojekt entwickelten Forscher ein Verfahren, bei dem Wasserstoff aus Diesel hergestellt werden kann.
© Foto: DLR/Hygear

Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, mit dem Wasserstoff aus Diesel und Biodiesel gewonnen wird. So könnten Tankstellen künftig selbst das Gas vor Ort herstellen und der Brennstoffzellentechnologie zum Durchbruch verhelfen – zumindest übergangsweise.

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Toyota hat es gewagt. Als erster großer Automobilhersteller haben die Japaner mit dem Modell „Mirai“ (übersetzt: Zukunft) ein Serienauto auf den Markt gebracht, das ausschließlich Wasserstoff benötigt. Bis zu 500 Kilometer weit transportiert das Brennstoffzellenfahrzeug seine Insassen – gesetzt den Fall, es findet eine Tankstelle.

Denn bis jetzt gibt es gerade einmal 21 öffentliche Wasserstofftankstellen in Deutschland. Dabei hatten das Bundesverkehrsministerium und Industriepartner im Jahr 2012 noch die Absichtserklärung abgegeben, bis 2015 mindestens 50 öffentlich zugängliche Stationen zu bauen. Auf den schleppenden Fortschritt hat ein neues Gemeinschaftsunternehmen reagiert: H2 Mobility, bestehend aus Daimler, Total, Shell, OMV sowie den Gaseherstellern Linde und Air Liquide, formulierte im Oktober des vergangenen Jahres ein neues Ziel. Mit Investitionen von 400 Millionen Euro sollen bundesweit rund 400 Stationen bis 2023 entstehen.

Schleppender Netzaufbau

Während Brennstoffzellenfahrzeuge mit großen Reichweiten und kurzen Ladezeiten technologisch schon weit entwickelt sind,  verläuft der Aufbau eines nationalen Netzes zögerlich. Ein großes Problem im Aufbau der Infrastruktur liegt in der komplexen und kostenintensiven Herstellung des ­Wasserstoffes. In industrieller Masse wird das Gas durch Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt. Der zentral gewonnene Wasserstoff muss dann per Lkw in Druckgasflaschen an die Tankstellen ausgeliefert werden (siehe Kasten).

Ein vielversprechender und nachhaltigerer Ansatz ist es, Wasserstoff durch Elektrolyse zu gewinnen. „In Zukunft wird Wasserstoff aus regenerativem Strom, möglichst aus Überschussstrom, erzeugt“, mutmaßt deshalb Stefan Martin, Mitar­beiter des Instituts für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Noch aber ist Wasserstoff, der per Elektrolyse hergestellt wird, sehr teuer und wird auf nicht absehbare Zeit so günstig werden wie jener, der aus Erdgas hergestellt wird. Einstweilen braucht es daher eine Brückentechnologie als Alternative zum zentral hergestellten Wasserstoff aus Erdgas.

Aus Diesel wird Wasserstoff

Hierfür machte sich das DLR den chemischen Vorteil von flüssigen Brennstoffen zunutze: Im Vergleich zu Druckwasserstoff zeichnen sich flüssige Brennstoffe wie ­Diesel durch ihre rund sieben Mal höhere volumetrische Energiedichte aus; sie sind einfacher zu transportieren und zu lagern. In Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen und Partnern aus der Industrie entwickelte das Team um Koordinator Martin in einem Projekt mit dem Namen „Nemesis2+“ ein Verfahren, mit dem Wasserstoff aus Diesel und Biodiesel hergestellt werden kann.

Im Zuge des EU-finanzierten Projekts baute das niederländische Unternehmen Hygear in Arnheim einen Anlagenprototyp, der in einer Stunde aus 20 Litern Biodiesel rund 4,5 Kilogramm Wasserstoff erzeugt – was in etwa der Tankfüllung eines Mercedes B-Klasse F-Cell-Fahrzeugs entspricht. Der Prototyp besitzt die Größe eines Transportcontainers und kann somit ohne größeren Aufwand in eine bereits bestehende Infrastruktur eingebunden werden. „Eine vielversprechende Anwendung ist die Herstellung von Wasserstoff aus Diesel und Biodiesel direkt vor Ort an konventionellen Tankstellen, um das Betanken von Brennstoffzellenautos zu ermöglichen und so den Durchbruch dieser Technologie zu unterstützen“, deutet Projektleiter Martin das Ergebnis.

Erste vorkommerzielle Anlage

Bereits seit den 90er Jahren hat es Versuche gegeben, Wasserstoff aus Diesel zu erzeugen. Bisher war es jedoch noch keinem gelungen, aus Biodiesel langzeitstabilen Wasserstoff zu erzeugen und einen Prototyp dieser Leistungsklasse (150 Kilowatt) zu entwickeln. „Wir sind also die Ersten, die eine vorkommerzielle Anlage gebaut haben“, freut sich Martin.

Allerdings, räumt er ein, habe man die Zielvorgaben der EU nicht ganz erreichen können. Diese forderten Gestehungskosten (reine Herstellungskosten) von fünf Euro für ein Kilogramm Gas, damit es wettbewerbsfähig sein kann. Eine techno-ökonomische Analyse ermittelte jedoch Kosten von 5,80 Euro. Darin seien aber noch nicht die Kosten enthalten, die entstehen, wenn man Wasserstoff für die Betankung auf 350 beziehungsweise 700 bar komprimiert.

Auch gingen die Kalkulationen davon aus, dass Biodiesel für die Wasserstoff-erzeugung steuerbefreit ist. Jedoch wurde die staatliche Förderung von Bioethanol, die zum Jahresende 2015 auslief, nicht verlängert. Ein Drittel an Kosten müsse man also noch einmal draufschlagen, meint Martin.

Acht Euro für ein Kilo Gas

Immerhin: Nach Hochrechnungen des Forschungskonsortiums würde man bei der 25. produzierten Einheit ein Kilogramm Wasserstoff für acht Euro anbieten können. Dieser Preis würde vor allem dann interessant werden, wenn der Rohölpreis und der Dieselpreis steigen würden. Momentan ist die Nachfrage nach Wasserstoff jedoch noch überschaubar. „Der Punkt ist nur: Der Transport von gasförmigem Wasserstoff in Druckgasflaschen ist jetzt noch kein Kostenfaktor, aber wenn der bundesweite Rollout der Wasserstofffahrzeuge einmal beginnt, dann wird das ein Thema werden“, ist sich Martin sicher.

Bei einem unverbindlichen Gespräch gaben Repräsentanten einer Mineralölgesellschaft dem Wissenschaftler zu verstehen, dass momentan noch keine Notwendigkeit bestehe, Wasserstoff auf diesem Weg zu erzeugen. Aber wenn signifikante Mengen nötig würden, könnte es lukrativ werden, den Wasserstoff dezentral an Tankstellen zu erzeugen – zumal dann, wenn die Produktion nachhaltig sein soll und das Gas überwiegend aus Biodiesel gewonnen wird.

Bei aller Faszination für das neue Verfahren bleibt Wissenschaftler Martin Realist: Wasserstoff aus Biodiesel wird vermutlich nur eine Brückentechnologie sein. Denn sollte Wasserstoff in annähernd so großen Mengen produziert werden wie fossile Energieträger verwendet werden, gäbe es schlicht und einfach zu wenig Biodiesel, um Wasserstoff herzustellen.

Wie es mittelfristig weitergeht, ist offen. Für den Augenblick liegt der Ball bei ­Hygear, dem Anlagenbauer. Ein bis zwei Jahre Entwicklungsarbeit sind noch in den Wasserstoffgenerator hineinzustecken, um vom vorkommerziellen zum kommerziellen Produkt zu kommen. Über den Erfolg entscheidet aber letztendlich wohl, welchem alternativen Kraftstoff – Erdgas, Wasserstoff oder Strom – die Politik mit Subventionen den Vorzug gibt.

(Autor: Michael Simon; Der Artikel ist in Sprit+ Ausgabe 4.2016 erschienen.)

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