Tauschen wollte man mit Ralf Köppl und Eray Özcan nicht, als sie sich für ihren Vortrag vor das Publikum begaben. Der Vertriebsleiter und der Key Account Manager arbeiten für Scheidt & Bachmann und sind für die Installation des neuen Kassensystems im Esso-Netz verantwortlich. Das Publikum: Esso-Pächter und -Händler, die in vielen Fällen Probleme mit dem neuen System haben, und sich nicht scheuten, ihren Unmut im Rahmen der Jahreshauptversammlung der IG Esso in Leipzig zu äußern.
Schon zuvor hatte IG-Esso-Geschäftsführer André Zacharias in seinem Rückblick auf das Esso-Gespräch die Problematik rund um die neue Kasse angesprochen: „Ich habe die ganze Bandbreite von Betreibern: Die, die gar kein Problem haben, bis hin zu Mitgliedern, die mich verzweifelt und den Tränen nahe anrufen“, erzählte er und ergänzte: „Es stricken mehrere Beteiligte an diesem System und die Verantwortlichkeiten werden von A nach B geschoben.“ Daher sei es für ihn schwierig herauszufinden, welche Probleme technischer Natur und welche Anwenderfehler der Betreiber seien beziehungsweise ob sie in die Zuständigkeit von Esso, Scheidt & Bachmann, des Shoplieferanten Lekkerland oder eines anderen beteiligten Unternehmens fallen.
Eine Fragebogenaktion der IG Esso im Frühjahr zeigte zumindest, welche Themenfelder tendenziell am häufigsten zu Schwierigkeiten bei den Mitgliedern führen: die zu kurzen Schulungen, der zentrale Artikelstamm und die schlechte Erreichbarkeit des Helpdesks. Zu diesen Punkten wollte die Verbandsspitze Scheidt & Bachmann nun im Rahmen der Jahreshauptversammlung die Gelegenheit geben, Stellung zu nehmen.
Schulungsinhalte verbessert
Einige Mitglieder kritisierten, dass die Schulungen, zu denen die Esso-Partner kurz vor der Installation des neuen Systems eingeladen werden, zu kurz seien. Zudem seien die Inhalte teilweise nicht auf den Arbeitsalltag eines Esso-Partners abgestimmt. Köppl merkte dazu an, dass für das neue Kassensystem bei anderen Gesellschaften in der Regel Schulungen mit vier Tagen veranschlagt werden. Es sei Wunsch von Esso gewesen, die Dauer auf zwei Tage zu verkürzen, damit die Unternehmer nicht zu lange von ihren Stationen wegblieben. Inzwischen wurden die Inhalte optimiert, es werden zusätzliche Schulungen angeboten und es stehen Online-Trainings zur Verfügung, betonten die Vertreter von Scheidt & Bachmann.
Auch Probleme mit dem zentralen Artikelstamm verärgerten die Teilnehmer sichtlich. So wurden bei einigen Esso-Betreibern regelmäßig Artikel überschrieben. Teilweise stürzte das System bei Bestellungen ab oder Inventuren verschwanden. Die Folge sind zeitaufwendige Nacharbeiten. Köppl konnte die Kritik nachvollziehen, wies aber darauf hin, dass bei diesem Thema mehrere Unternehmen beteiligt seien und dahinter verschiedene Systeme arbeiten, die anfangs nicht richtig zusammengespielt hätten.
Außerdem gebe es normalerweise in den Gesellschaften eigene Teams, die nur für das Artikelmanagement zuständig sind. Das habe in diesem Projekt mit Esso gefehlt. Da etwa zehn bis 15 Prozent der Tickets dieses Thema betrafen, habe man bei Scheidt & Bachmann eine Task Force gegründet, bei der das Projektteam inklusive Management täglich zusammensaß, bis das Problem gelöst wurde.
Ein Ergebnis aus der Task Force ist ein eigenes Support-Team, das sich ausschließlich um das Artikelmanagement kümmert. Dadurch sollten für den normalen Helpdesk, der ebenfalls personell aufgestockt wurde, Ressourcen für Tickets zu anderen Themen freigeschaufelt werden. Diese Maßnahme scheint dringend notwendig zu sein, denn einige Mitglieder beklagten auf der Jahreshauptversammlung, dass bei ihnen immer noch zahlreiche Tickets offen seien, sie den Helpdesk nicht erreichen und auch keine Rückrufe bekämen.
Insgesamt waren Köppl und Özcan sehr bemüht, auf die Probleme der Zuhörer einzugehen und die Lösungsansätze von Scheidt & Bachmann zu präsentieren: mehr Schulungen für eine sanftere Umstellung, mehr Ressourcen für den Helpdesk, um eine bessere Erreichbarkeit zu gewährleisten, und eine Task Force für größere Probleme wie das Thema Artikelmanagement.
Zudem verwiesen sie auf die hohe Schlagzahl, mit der die Umstellung des Kassensystems bei Esso durchgezogen wird: Durchschnittlich 25 Kassen hat das Unternehmen wöchentlich seit Oktober umgerüstet, im August muss der Roll-out auf das komplette Esso-Netz mit 1.000 Stationen beendet sein – pünktlich zur Übergabe des Netzes an Euro Garages (EG) Deutschland, dem zweiten großen Thema der Veranstaltung.
Im spekulativen Bereich
Welche Folgen die Übernahme des Esso-Netzes durch EG hat und wie diese ablaufen soll, sorgt nach wie vor für Verwirrung bei den Betreibern. Fest steht: „Bis zur Übernahme im Herbst muss die Braut ausstaffiert und geschmückt sein. Bis dahin müssen alle Projekte wie die neue Kasse abgeschlossen sein“, sagte Zacharias und ergänzte: „Esso Deutschland plant wohl, sich in zwei Teile zu spalten: Die Esso Deutschland wird künftig für die Markenpflege, also zum Beispiel Synergy oder die Kooperation mit Deutschland Card, zuständig sein.“
Der zweite Teil werde eine eigene Gesellschaft, in der die Tankstellen zusammengefasst sind, die voraussichtlich im Oktober zu hundert Prozent an EG Deutschland übergeben wird. „Ihr Vertragspartner ist dann nicht mehr Esso Deutschland, sondern EG Deutschland. An den Verträgen wird sich dadurch vermutlich vorerst nichts ändern“, mutmaßte der IG-Esso-Geschäftsführer. Schließlich werde EG auch in Zukunft nichts in die Verträge schreiben, was massenweise Kündigungen auslöst. Das Unternehmen wolle ja wachsen und das ginge nur mit einem positiven Image. „Ich kann Ihnen leider nur wenige Tatsachen sagen. Vieles ist Spekulation“, gestand Zacharias. Zur nächsten Jahreshauptversammlung in einem Jahr wisse man mehr. (Esso wollte zu diesem Thema auf Nachfrage von Sprit+ keine Stellung nehmen.)