tm: Warum ist aus Ihrer Sicht ein Verhaltenskodex für die Tankstellenbranche notwendig?
Friedl: Es kann nicht sein, dass ein Tankstellenunternehmer, der seine Familie einsetzt, der 60 Stunden und mehr in der Woche arbeitet und das gesamte unternehmerische Risiko trägt, ein Einkommen erzielt, das im unteren Bereich einer Einzelhandelskraft liegt. Nun sagen natürlich die Mineralölgesellschaften: Wenn der Pächter seine Hausaufgaben macht und alles tut, was wir vorgeben, dann wird er auch ein etwas höheres Einkommen erreichen. Er wird aber nie einen adäquaten Lohn bekommen. Der Betreiber ist Unternehmer kraft des Gesetzes und in der Außendarstellung, aber in Wahrheit ist er Arbeitnehmer der Mineralölgesellschaft, allerdings ohne irgendwelche Schutzrechte. Das ist ein Machtungleichgewicht, das wir zurechtrücken wollen.
tm:Was waren für Sie die wichtigsten Punkte, die unbedingt in den Verhaltenskodex mussten?
Friedl: Enthalten sind Regeln für die Vertragsanbahnung und -beendigung sowie Grundsätze der Zusammenarbeit. Wir hätten natürlich gerne Punkte wie eine Mindestprovision aufgenommen. Wir hätten überhaupt gerne viel mehr in diesem Kodex drinnen gehabt. Dazu gehören eine deutlich längere Kündigungsfrist, ein freier Shopeinkauf, eine Öffnungszeitenklausel, die das Marktumfeld berücksichtigt, und ein besserer Bestandsschutz für Ausbildungsverhältnisse. Es ist uns aber leider nicht gelungen, das durchzusetzen, gerade was Konditionsvereinbarungen betrifft. Da hat das Bundeskartellamt wie bei vielen Dingen, die monetär ausgedrückt sind und wo klare Konditionen hätten festgeschrieben werden müssen, Probleme gemacht.
tm: Woran lag das?
Friedl: In den Augen des Gesetzgebers ist ein Pächter ein Unternehmer ebenso wie die Mineralölgesellschaften. Und damit treffen sich in den Augen des Bundeskartellamts zwei Unternehmer auf Augenhöhe, was aber natürlich in der Realität nicht der Fall ist. Vor diesem Hintergrund wurden unsere Wünsche kräftig zusammengestutzt, um eine „unzulässige Kartellrechtsabsprache“ zu verhindern.
tm: Immerhin: Im Verhaltenskodex wird ein „faires und konstruktives Miteinander der Tankstellengesellschaften und der Tankstellenbetreiber“ festgeschrieben. Ist das nicht selbstverständlich?
Friedl: Eigentlich schon. Trotzdem bekommen wir viele Klagen unserer Mitglieder, die das Gegenteil zeigen. Ich verstehe, dass die Mineralölgesellschaften Kosten und Aufwand haben. Aber es sind multinationale Konzerne, die sich ihrer Verantwortung ihren Vertriebspartnern gegenüber klar sein sollten. Da kann es nicht sein, dass bei Verträgen von den Betreibern einfach die Unterschrift abgefordert wird, ohne Bedenkzeit zu geben und über die Inhalte zu sprechen. Und deshalb ist es so wichtig, dass gewisse, eigentlich selbstverständliche Spielregeln einfach mal schriftlich festgehalten wurden.
tm: Im Rahmen des Kodex ist auch ein Schiedsgericht geplant, das ab Herbst mit der Arbeit beginnen soll. Wie muss man sich das vorstellen?
Friedl: Ziel des Schiedsgerichts ist es, dass Beschwerden, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte nicht gleich vor Gericht ausgetragen werden müssen, wenn es zu keiner Einigung kommt. Diese sollen erst einmal vor dieser Institution verhandelt werden, in der beide Seiten vertreten sind.
tm: Bis Ende September dieses Jahres sollen sich alle Verbände darauf geeinigt haben, wie diese Schiedsstelle ausgestaltet sein soll. Wie weit sind Sie?
Friedl: Wir sind gerade noch mitten in der Ausarbeitung. Es hat sich in der Vorbereitung des Kodex bewährt, dass wir vier Betreiberverbände uns zusammengesetzt, unsere Vorstellung und Wünsche miteinander diskutiert und uns auf eine gemeinsame Position verständigt haben. An diesem Punkt sind wir aktuell. Wir werden sehen, was dabei rauskommt und wie wir dann in die Verhandlung mit den Mineralölgesellschaften gehen. Wir sind aber sehr optimistisch, dass wir uns verständigen können. Wichtig ist auch, dass so eine Schiedsstelle überhaupt mal ins Leben gerufen wurde. Damit müssen wir nicht immer gleich bei Streitfällen sofort vors Gericht gehen.
tm: Wie sollte der einzelne Pächter mit dem Kodex umgehen?
Friedl: Der Kodex muss gelebt werden. Er muss neben die Kasse oder ins Büro gelegt werden und wenn der Außendienst kommt und aufgrund der wirtschaftlichen und juristischen Überlegenheit die Unterschrift abfordert, dann muss man sich darauf berufen können.
tm: Hand aufs Herz: Glauben Sie wirklich, dass es etwas bringt, wenn sich der Pächter auf den Verhaltenskodex beruft?
Friedl: Ja, sonst hätten wir das Ganze nicht gemacht. Natürlich wird es nichts beim Außendienstler vor Ort ändern, denn der kleine Tankstellenbezirks- oder -vertriebsleiter ist ja auch nur ein Rad im Getriebe. Wir wissen aber aus den zahlreichen Gesprächen auch mit den Mineralölgesellschaften, die wir während der Verhandlungen zum Kodex führen konnten, dass er in den Mineralölgesellschaften relativ hoch aufgehängt wird. Und wir wissen auch, dass wir derzeit auf der politischen Ebene mit einem rot geführten Wirtschaftsministerium relativ gute Karten haben. Das stärkt unsere Position.
tm: Wird es denn eine Evaluation geben, bei der geprüft wird, ob der Verhaltenskodex etwas verändert hat?
Friedl: Die Erfahrung damit soll in zwei Jahren überprüft werden. Wenn sich also die Mineralölgesellschaften nicht daran halten werden, dann hoffen wir, dass wir das auch mitbekommen werden. Dafür brauchen wir natürlich den Input unserer Verbandsmitglieder, die uns Rückmeldung geben. Diese Verstöße werden wir genauestens dokumentieren. Und wenn eine gewisse kritische Masse erreicht ist, bei der wir feststellen und zeigen können, dass die Mineralölgesellschaften den Kodex doch nicht leben, dann werden wir mit dieser Dokumentation wieder im Bundeswirtschaftsministerium vorstellig werden. Im Idealfall wird die Zusammenarbeit dank des Kodex aber künftig partnerschaftlich organisiert und zum Wohl aller sein. Ich bin überzeugt, dass ein solcher Wandel möglich ist.
tm: Es hilft also, Mitglied in einem Verband zu sein?
Friedl: Natürlich! Zum einen, weil der Kodex nur Anwendung findet, wenn der Betreiber Verbandsmitglied ist. Zum anderen, weil sich der einzelne Betreiber selten direkt gegenüber der Mineralölgesellschaft artikulieren kann. Der Pächter kann aber einen Verstoß an den Verband melden, der ihn dokumentiert und die Mineralölgesellschaft dazu befragen kann, ohne gleich Ross und Reiter nennen zu müssen. Da haben wir schon eine wichtige Funktion, von der der Pächter aber nur profitieren kann, wenn er Mitglied im Verband ist.
(Das Gespräch führte Annika Beyer)