Herr Zacharias, Mitte November fand das letzte Esso-Gespräch für dieses Jahr statt. Was war das zentrale Thema des Treffens zwischen Ihnen und den Verantwortlichen bei Esso?
Ein wirklich dominierendes Thema hatten wir diesmal gar nicht. Für uns das zentrale Thema ist weiterhin die Frage, ob 40.000 Euro Durchschnittsgewinn an einer Tankstelle wirklich genug sind, vor allem im Hinblick auf eine vernünftige Altersabsicherung für Selbstständige. Unsere Aufgabe als Verband liegt darin, zum einen die Mitglieder zu informieren und darauf hinzuweisen, dass sie eine Altersvorsorge brauchen und rechtzeitig daran denken müssen. Zum anderen appellieren wir natürlich an Esso, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und ihren Pächtern die finanziellen Mittel zu lassen, um sich eine vernünftige Altersabsicherung leisten zu können.
Wie geht Esso damit um?
Grundsätzlich zeigt sich Esso schon gesprächsbereit, weil ihnen das Problem durchaus bewusst ist. Gleichzeitig argumentieren sie, dass die Gewinne der Esso-Pächter im Rahmen dessen liegen, was viele andere Gesellschaften im Durchschnitt ermöglichen. Auch würden die Pächtergewinne im Jahr 2016 wieder leicht steigen.
Aber der niedrige Marktdurchschnitt muss ja nicht die Messlatte sein …
Das haben wir natürlich auch vorgebracht. Nur weil viele Mineralölgesellschaften den Pächtern nur ein unzureichendes Einkommen ermöglichen, muss das Esso ja nicht genauso machen. Sie müssen ihrer eigenen Verantwortung gerecht werden. Aber langsam findet ein Umdenken bei Esso statt. Es macht schließlich keinen Sinn für einen Pächter, mehr Leistung zu erbringen als er muss, wenn ihm diese Mehrleistung immer weggepachtet wird. Dann werden die Pächter zu Verwaltern erzogen. Dieses Problem sieht Esso inzwischen und hat sich Gedanken gemacht.
Was war das Ergebnis?
Esso entwickelt gerade – auch auf meine Kritik hin – ein Konzept für die testweise Einführung von Zielvereinbarungen, die nicht weggepachtet werden. Das heißt: Wenn der Pächter bestimmte Ziele erreicht, die zuvor definiert wurden, soll ihm mehr Geld bleiben. Stichwort: Leistung soll sich wieder lohnen.
Welche Themen standen noch auf der Tagesordnung beim Esso-Gespräch?
Ein weiterer Punkt war natürlich das neue Kassensystem. Das System wird derzeit noch an ROC-Stationen getestet. Esso will es 2017 bei den Pächtern und Händlern ausrollen, wenn das System wirklich stabil läuft. Denn Probleme sollen nicht erst auf der Station gelöst werden, sondern schon vorher. Das begrüßen wir natürlich.
Wurde auch das Thema Kassenpacht angesprochen?
Ja. Es gibt zum Beispiel Händler, die bis zur Neuverhandlung der Verträge eine Kassenpacht zahlen sollen, weil sie damals das alte System gemietet haben. Wir haben Esso berichtet, dass es Vorbehalte gibt, diesen neuen Vertrag zu unterschreiben, bevor nicht das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vorliegt (siehe Seite 40). Esso argumentiert, dass sie sowieso reagieren müssen, falls das BGH Kassenpachten als unzulässig einstuft. Und wenn der Partner jetzt unterschreibt, hat er ja trotzdem die Vorteile: Er bekommt für das alte Geld ein neues Kassensystem und die Kreditkartengebühren fallen weg. Er wird auf jeden Fall entlastet, die Frage ist nur wie stark.
Und wie sieht es bei den Pächtern aus?
Im Endeffekt ändert sich für die Pächter nichts. Bei ihnen bleibt die Kassenpacht in der Flat Fee enthalten. Sie wird nicht generell rausgerechnet, sondern im Einzelfall betrachtet. Nur die Pächter, die bisher Kreditkartengebühren bezahlt haben, werden allgemein entlastet. Dass diese künftig wegfallen, ist neu.
Hat Esso weitere Änderungen angekündigt?
Ja, zum Beispiel soll die Abwicklung von Tankbetrug (Flitzer) verbessert werden. Bisher war hier der Vertriebsleiter (VLT) der Ansprechpartner und es gab immer wieder Probleme bei der Erstattung der Flitzer-Schäden. Auf unsere Anregung hin werden diese Fälle ab 2017 über das Esso-Portal abgewickelt.
Und wenn ein Kunde unabsichtlich Geld vergessen hat oder die Karte nicht geht?
Auch bei diesen Fällen war immer problematisch, was man da macht. Jede Tankstelle hat eine andere Vorgehensweise. Deshalb haben wir eine Vereinheitlichung angeregt. Esso könnte ein festes Prozedere definieren und entsprechende Formulare zur Verfügung stellen. Wir haben noch keine Zusage für diese Änderung, aber ich bin ziemlich sicher, dass das kommen wird.
Esso hat an 75 Stationen in Hessen und Nordrhein-Westfalen Mystery Shopper geschickt. Was war das Ergebnis?
Der Standard an diesen Stationen hat sich laut Esso verbessert, weil die Stationäre auf Basis der Rückmeldungen Anpassungen umgesetzt haben. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass beim Thema Loyality, also Deutschlandcard, und bei der Umsetzung von Aktionen noch Handlungsbedarf besteht. Da sind die größten Verbesserungspotenziale.
2017 kommt die erste Erhöhung des Mindestlohns auf 8,84 Euro. Können die Partner hier auf die Unterstützung von Esso zählen?
Esso sagt, dass die Lohnerhöhungen vornehmlich erst einmal über den Shop aufgefangen werden sollen. Dort gibt es noch viel Potenzial in der Optimierung der Verkaufsgestaltung, zum Beispiel beim Kaffee. Auch durch aktives Verkaufen lassen sich die Umsätze noch erhöhen. Also ein ähnliches Prozedere wie bei der Einführung des Mindestlohns. Wir sind sehr gespannt, ob hier wirklich noch Potenzial liegt. Die Erhöhung darf sich unserer Ansicht nach nicht negativ auf die Pächtergewinne auswirken.
Hier hilft natürlich auch ein modernes Shopkonzept …
Die Shops sollen in absehbarer Zeit eine neue Optik und Sortimentsgestaltung bekommen, die derzeit entwickelt werden. Ein Konzept testet Esso aktuell an einer Station in Hamburg. Gleichzeitig hat Esso mit Synergy ein neues Konzept für den Forecourt ausgerollt, das schon an einigen Stationen umgesetzt wurde. Man sieht also, dass gerade an allen Fronten etwas getan wird, um das Unternehmen nach vorne zu bringen. Außerdem hat Esso uns gegenüber noch einmal bekräftigt, dass
sie wachsen wollen. Das geht zumindest schon in die richtige Richtung.
(Das Interview führte Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 12/2016.)