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Porträt: Tabakhochburg für Ritter

07.12.2016 13:47 Uhr
Porträt: Tabakhochburg für Ritter
An dieser Tankstelle decken sich jeden Juli Schausteller der Kaltenberger Ritterspiele mit Zigarren ein.
© Foto: Michael Simon

Irgendwo im bayerischen Nirgendwo setzt Pächter Hartmut Trabert voll auf Tabakwaren. Das hat auch mit einem mittelalterlichen Spektakel und einem Authentizitätsdilemma von Gauklern, Schaustellern und Rittern zu tun.

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Es ist ein wundersamer Ort, der mit den Erwartungen mehr als einmal bricht: Am südlichen Ortsausgang des bayerischen Dörfchens Moorenweis betreibt die Firma Heizöl Süßmeier eine Tankstelle. Doch ist dies nicht etwa eine Automaten- oder eine kleine Feld- und Wiesenstation, die man bei einer 4.000-Seelen-Gemeinde erwarten würde, sondern eine mit sechs Zapfpunkten ausgestattete und großzügig dimensionierte Tankstelle. Umgeben von Feldern und malerisch an einen Teich gelehnt, harrt sie wie ein Leuchtturm aus.

Beim Betreten des Shops irritiert den geschulten Branchenkenner die nächste Unstimmigkeit: Draußen wehen zwar die gelben Fahnen der Agip/Eni und auch im Inneren zieht sich das italienische Konzept durch den Shop. Dem zweiten Blick entgehen aber nicht die zahlreichen Tabakwaren-Aufsteller, die die Kunden auf dem Weg zur Kasse passieren. Ohne jeden Zweifel: Das ist kein von einer MÖG reglementierter Betrieb, hier ist ein selbstständiger Kaufmann am Werk.

Sein Name ist Helmut Trabert, seit fünf Jahren ist er Pächter der Tankstelle und hat großen Respekt vor seinem Arbeitgeber: „Die Tankstelle ist nicht das Kerngeschäft von Herrn Süßmeier. Umso beeindruckender, dass der Mann so großen Mut bewiesen hat, indem er hier mitten in der Pampa so eine Station hinstellt und richtig Geld in die Hand nimmt“, lobt Trabert. Süßmeier suchte damals einen erfahrenen Pächter und vertraute Trabert, der schon zu Zeiten der großen Fusionen von Shell/Dea und BP/Aral als Tankstellenverantwortlicher gearbeitet hat.

Seine Erfahrung hat den studierten Betriebswissenschaftler offensichtlich gelehrt: Mit Raucherwaren lässt sich viel Geld machen. Trabert offeriert seinen Kunden ein unglaublich breites Angebot – von einem üppig bestückten Zigarettenregal über Zigarillo-Türme bis hin zu den Zigarren, die den zweiten Kassenarbeitsplatz komplett zumauern. Sogar auf den als Bistro-Stehtischen gedachten Möbeln stapeln sich Feinschnitt-Dosen, zwischen Bistro und dem Kassenplatz hat das Nischenprodukt E-Zigarette seine Nische gefunden.

Besonders Zigarren drehen sich an seiner Station gut, erklärt Trabert. Das liege auch an einer benachbarten Veranstaltung im Sommer: Alljährlich im Juli pilgern Tausende Besucher zum Schloss Kaltenburg. Hier hat Luitpold Prinz von Bayern, Urenkel des letzten Bayern-Königs, im Jahr 1979 das größte Ritterturnier in Deutschland ins Leben gerufen. Auf dem mittelalterlichen Markt stellen mehr als 100 Werkstätten authentische Produkte zur Schau. Die Schausteller und Ritter dürfen, um die Echtheit zu wahren, keine Zigaretten rauchen. „Zigarren gab es zur Ritterzeit anscheinend schon“, meint Trabert lachend.

Bei den Zigarren hat er einen Vertrag mit dem Unternehmen Arnold André ausgehandelt, das seine Marken Clubmaster, Handelsgold, Independence und andere prominent im Laden platzieren darf. Als Gegenleistung erhält Trabert Naturalrabatt. „Im Kontakt mit den Außendienstmitarbeitern der Tabakwarenhersteller hängt viel von der Sympathie ab. Für manche mache ich auch einmal 20 Zentimeter mehr Platz im Laden“, erzählt Trabert.

Im Zigarettensortiment sind Produkte von BAT auf den Premiumplätzen, sprich: zentral und auf Augenhöhe. Zudem hat Trabert mit dem Tabakwarenhersteller die Installation von drei Bildschirmen verabredet, die bewegte Zigarettenwerbung ausstrahlen. Mit den anderen großen Herstellern habe er gar nicht erst verhandelt, erzählt Trabert: „Wenn ich zu jemandem eine gute Geschäftsbeziehung habe, dann bin ich nicht so nuttig und gebe diese für ein paar Euro auf. Das ist nicht mein Stil.“ 

Vielmehr ist es sein Stil, größer zu denken. „Man hätte die Tankstelle noch geräumiger bauen können.“ Das Bistro war an jenem Morgen voll, Geschäftsmänner verweilten hier ebenso wie Postboten. Am Wochenende kommen viele Biker vorbei und würden sich über frisches Essen freuen, so wie es die Agip-Tankstelle am Münchener Flughafen mit einer Terrasse und warmen Mahlzeiten vormache, glaubt Trabert. Und dies ist dann die letzte Besonderheit des Ortes: ein Pächter, der noch Kaufmann sein will – und darf.

(Autor: Michael Simon; Der Artikel erschien in Sprit+ 12.2016.)

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