Deutschland soll nach dem Willen der Bundesregierung beim Wandel des Autos technologischer Vorreiter sein. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch ein Strategiepapier aus dem Haus von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), das unter anderem Investitionen in den Ausbau digitaler Infrastruktur vorsieht.
Dobrindt sprach am Mittwoch in Frankfurt am Rande der Automesse IAA von einem "neuen Mobilitäts-Zeitalter". Das automatisierte und vernetzte Fahren werde die Verkehrssicherheit erhöhen und für weniger Staus sorgen, sagte der Minister. Er will das Thema auch mit seinen Amtskollegen aus den G7-Staaten besprechen, die auf der IAA auch mit Vertretern der Industrie zusammenkommen.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte: "Dem automatisierten und vernetzten Fahren gehört die Zukunft. Automatisiertes Fahren ist ein wichtiger Treiber für Innovationen und Wertschöpfung." Es sei daher wichtig, dass die deutsche Automobilindustrie ihre führende Position behauptet.
Rechtliche Bedingungen werden überprüft
Ein Entwurf des Strategiepapiers, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, betont unter anderem die Bedeutung des mobilen Breitband-Ausbaus und eines zügigen Umstiegs auf digitalen Hörfunk. Zur Erprobung neuer Technik entsteht derzeit eine Teststrecke auf der Autobahn 9 in Bayern. Damit dem Fahrer "keine zusätzlichen Haftungsrisiken aufgebürdet werden", will die Bundesregierung dem Entwurf zufolge die rechtlichen Rahmenbedingungen "überprüfen und, wo nötig, an die neuen Entwicklungen anpassen". So will sich Deutschland etwa international dafür einsetzen, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit für selbstfahrende Autos von zehn auf 130 km/h angehoben wird.
Beim automatisierten Fahren übernimmt in zunehmendem Maße das Auto die Führung, der Fahrer wird mehr und mehr zum Passagier. Das soll Unfälle und Staus vermeiden helfen. Die Technologie basiert vor allem auf Sensoren und Kameras, die die Umgebung erfassen und die Daten in Sekundenschnelle verarbeiten.
Europäische Hersteller für mehr Datenschutz
Mit der wachsenden Digitalisierung wird die Datensicherheit im Auto immer wichtiger. Deshalb haben sich die europäische Autohersteller auf Regeln für den Datenschutz geeinigt. "Datenschutz ist eine Frage, die Autohersteller sehr ernst nehmen", sagte Renault-Nissan-Chef und ACEA-Präsident Carlos Ghosn am Mittwoch in Frankfurt auf der Automesse IAA. Der Verband hat fünf Prinzipien formuliert, welche die Mitglieder künftig befolgen wollen. Diese schließen Transparenz, die Zustimmung des Kunden, die Wahrung von Privatsphäre, Datensicherheit und eine angemessene Verwendung der Daten ein.
Nach einer vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Studie wird hochautomatisiertes Fahren auf Autobahnen bis 2020 technisch möglich sein. Trotzdem seien fahrerlose Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen "erst weit nach 2020 zu erwarten". Die Wertschöpfung im Bereich der Fahrerassistenzsysteme und der hochautomatisierten Fahrfunktionen am Standort Deutschland schätzen die Autoren der Studie für 2025 auf rund 8,4 Milliarden Euro.
Große Skepsis in Deutschland
Noch sehen die Deutschen selbstfahrende Autos allerdings skeptisch – viel mehr als Franzosen oder Amerikaner. Eine am Mittwoch auf der IAA vorgelegte Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Prüforganisation Dekra kommt zu dem Ergebnis, dass nur acht Prozent der Deutschen glauben, dass sich autonom fahrende Autos in den kommenden zehn Jahren durchsetzen werden, 32 Prozent rechnen erst in 20 Jahren damit, 31 Prozent glauben überhaupt nicht daran. In Frankreich rechnen 21 Prozent der Befragten bis 2025 mit autonom fahrenden Autos, in den USA 33 Prozent.
Ohnehin sind die Autofahrer in Deutschland noch nicht bereit, sich komplett auf ein selbstfahrendes Fahrzeug zu verlassen. Nach einer Erhebung des Digitalverbands Bitkom würden nur sieben Prozent zustimmen, die Kontrolle während der gesamten Fahrt auf allen Straßen abzugeben. Auf der Autobahn könnten sich das im fließenden Verkehr immerhin 15 Prozent vorstellen, im Stau 45 Prozent. Gut jeder Vierte würde dem Auto die Kontrolle unter keinen Umständen überlassen.
Unbestritten positiv bewertet eine große Mehrheit der Bundesbürger die verbesserten Warnsysteme vernetzter Fahrzeuge im Straßenverkehr. Laut einer Umfrage von CSC halten 85 Prozent beispielsweise das schnelle Melden von Unfall- oder Gefahrenstellen für wichtig. Großen Nutzen versprechen sich die Deutschen auch von Totwinkelassistenten, Notbremsassistenten und Fußgänger-Erkennungssystemen. Doch mehr Car-IT macht die Fahrzeuge aus Sicht der Deutschen auch anfälliger. 62 Prozent fürchten, ihr Fahrzeug werde durch die Vernetzungstechnik generell anfälliger für Pannen. Gut zwei Drittel sehen sich vor Hacker-Angriffen nicht ausreichend geschützt. (dpa/rp)