Der Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) hat die Kriminalstatistik 2015 ausgewertet und kommt zu einem erfreulichen Ergebnis: Die Zahl der Tankstellenüberfälle hat mit 636 im Bundesgebiet registrierten Fällen den niedrigsten Stand seit 25 Jahren erreicht, lag um fast die Hälfte niedriger als beim Höchststand 2003 und ist seit sieben Jahren rückläufig.
ZTG-Geschäftsführer Jürgen Ziegner: „Dazu haben sicherlich sowohl technische Lösungen als auch die Umsetzung der diversen Sicherheitsempfehlungen beigetragen.“ Trotz der positiven Tendenz gibt es allerdings keinen Grund zur Entwarnung. Der ZTG schätzt das Risiko für Tankstellen, Ziel eines Überfalls zu werden, als nach wie vor hoch ein. So wurde doch im Jahr 2015 statistisch gesehen jede 23. Tankstelle überfallen. „Allein diese Zahl sollte ausreichen, damit jeder Tankstellenbetreiber seinem Personal regelmäßig erneut die Sicherheitsempfehlungen von Polizei, Berufsgenossenschaft und den Mineral- ölgesellschaften zur Kenntnis bringt und vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung von Überfällen, aber auch das richtige Verhalten während eines Überfalls, neu üben lässt. Erst recht gilt dies in Bezug auf neue Mitarbeiter“, sagt Ziegner.
Dieser Empfehlung schließt sich auch Claus Opfermann, Kriminalhauptkommissar in der Zentralstelle für Kriminalund Verkehrsprävention des LKA Hessen in Wiesbaden, an und rät, darüber hinaus in eine effiziente technische Ausrüstung zu investieren. Für den Fahndungserfolg nach einem Überfall sind brauchbare Tä- terfotos entscheidend. „Es ist in den letzten zehn Jahren zwar eine deutliche Verbesserung der Bildqualität eingetreten, sie ist aber für unsere Zwecke oft noch nicht optimal“, führt Opfermann aus.
Das Leiden der Videoforensiker
Laut Produktanalyst Timo Sachse von Axis Communications liegt das weniger an der Auflösung moderner Kameras als vielmehr an zwei Gründen. Zum einen versuchen Tankstellenbetreiber aus Kostengründen mit möglichst wenigen Kameras möglichst große Bereiche abzudecken, zum Beispiel über 360-GradKameras mit Fischaugenoptik. „Da sich die eigentlich hohe Auflösung über einen großen Bereich verteilt, ist die Nettoauflösung so gering, dass die Kameras zwar zur Übersicht, aber kaum zur Gesichtserkennung geeignet sind“, erklärt Sachse. Er empfiehlt immer eine zusätzliche Kamera zur Identifizierung. Das zweite Problem: In die Planung einer Anlage sind selten Videoforensiker eingebunden. Sie müssen mit dem Material arbeiten, das sie aus den Aufzeichnungen bekommen, und haben nur geringe Möglichkeiten, bei der Auswertung das Bild zu verbessern.
Kriminalhauptkommissar Opfermann bestätigt, wie wichtig die richtige Projektierung der Kameras ist: „Die teuerste Ausrüstung nützt nichts, wenn die örtlichen Gegebenheiten wie Lichtverhältnisse und Regalplatzierung nicht berücksichtigt werden.“ Er rät deshalb dazu, die kostenlosen kriminalpolizeilichen Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen. Das LKA Hessen führt zusätzlich im Internet einen Adressnachweis von Errichtern, die nach den Vorgaben von Polizei und Berufsgenossenschaft arbeiten (http://k.polizei.hessen.de/677031389).
(Autor: Dieter Väthröder; der Artikel erschien in Sprit+ 12.2016.)