Vielleicht sei nun der Punkt erreicht, an dem die Mineralölbranche sehr sorgfältig auf das Geschäftsmodell Tankstelle schauen muss. Mit diesem Aufruf richtete sich Jens Stolte gleich zu Beginn seiner Vorstellung der „Jahreserhebung 2017 – POS und Zahlungssysteme auf Tankstellen in Deutschland“ an sein Publikum. Die deutsche Wirtschaft verzeichnete zwar auch 2017 wieder ein Wachstum, es gibt ein Rekordhoch bei der Beschäftigungszahl und eine niedrige Arbeitslosenquote. „Die Rahmenbedingungen für das Tankstellengeschäft sind also extrem gut und eigentlich ist zu erwarten, dass für die Branche alles zum Besten gerichtet ist“, folgerte der Geschäftsführer von Stolte Consult und Initiator des Uniti Cards- und Automations-Forums.
Eigentlich, denn: Mittelfristig könnte der Konjunkturzyklus abflachen oder sogar zurückgehen. Und für die Branche attestierte Stolte eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass 2017 der „Peak Oil“ des Absatzes von mineralischen Kraftstoffen an Straßentankstellen in Deutschland erreicht wurde – oder zumindest unmittelbar bevorsteht. Es seien keine weiteren konjunkturellen Impulse zu erwarten und der technische Fortschritt, alternative Antriebe und neue Formen der Mobilität könnten sich negativ auf den Kraftstoffabsatz auswirken. Handlungsbedarf sei also notwendig.
Der Deutsche liebt Bargeld
Die Auswertung der Daten von insgesamt 13.227 Tankstellen, also etwa 90 Prozent des Marktes, zeigten aber bisher noch „insgesamt stabile Verhältnisse“ für 2017. Wenig überraschend: Der Bargeldanteil am Gesamtumsatz ist mit 37,1 Prozent und damit 0,8 Prozent weniger als im Vorjahr weiterhin auf Platz eins der Zahlungsarten, gefolgt von Debitkarten (31,5 Prozent, 2016: 30,9 Prozent) und Kreditkarten (9,9 Prozent; 2016: 10,4 Prozent).
„Die harte Realität sieht so aus: Wenn wir so weitermachen, haben wir noch in 30 Jahren das Bargeld“, kommentierte Stolte die Grafik und ergänzte: „Wer den Bargeldanteil mit unbaren Lösungen ersetzen will, muss sich den Kleinbetragstransaktionen annehmen.“ Bisherige Ansätze von der Bankenseite hätten nicht das Ergebnis gebracht, das man sich versprochen habe. „Man darf gespannt sein, ob in den nächsten Jahren etwa digitale Zahlverfahren den Durchbruch finden“, sagte der Zahlungsexperte.
Bemerkenswert sei dagegen, dass der Anteil der brancheneigenen Zahlungsmittel, also der Trucker-, Flotten-, Ring- und Stationskarten, ein Fünftel des Absatzes ausmacht. Bemerkenswert insofern, da diese Zahlungsmittel seit dem 13. Januar dieses Jahres unter die Regulierung des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) fallen und daher das bisher eigentlich unregulierte Absatzsegment der Branche den Bankkarten gleichgestellt wird (Linktipp: www.sprit-plus.de/zag). „Das ist ein wesentlicher Einschnitt. Wir werden sehen, wie sich das auswirken wird“, bemerkte der Diplom-Volkswirt.
Insgesamt wenig Bewegung
Betrachtet man die einzelnen Zahlungsarten genauer, ist auch hier wenig Bewegung im Vergleich zum Vorjahr festzustellen. Der Umsatzanteil von EC-Cash ist von 74,5 auf 71,6 Prozent gesunken. Dafür hat die EC-Lastschrift um zwei auf 24 Prozent zugelegt. Neu in der Statistik taucht die Mastercard Debit auf, die in diesem Jahr die Ein-Prozent-Hürde geknackt hat.
Im Segment der Kreditkarten gab es noch weniger Bewegung: Trotz eines leichten Rückgangs von 1,6 Prozent auf 51,4 Prozent bleibt die Mastercard die beliebteste Kreditkarte. Die Marktanteile abgegeben hat Mastercard an Visa, über die 43 Prozent des Umsatzes abgewickelt wurden (2016: 41,4 Prozent). Mit 5,5 Prozent bleibt der Anteil der American Express stabil, wobei die Karte laut Stolte bei internationalen Brands stärker eingesetzt wird als an den freien Tankstellen.
Bei den Truckerkarten bleibt DKV mit 53,2 Prozent mit deutlichem Abstand Platzhirsch. Der Marktanteil von UTA lag bei 27,1 Prozent. Logpay und Novofleet etablierten ihre Marktposition und bewegen sich weiterhin um den Zwei-Prozent-Bereich. Die Kategorie „Sonstige“ hat mit 15,4 Prozent deutlich zugelegt. Die Entwicklung ist dadurch zu erklären, dass in diesem Bereich auch die Karten der Mineralölgesellschaften einfließen, die weiterhin stark an Bedeutung gewinnen. „Der Wettbewerb wird durch die ersten Digitalisierungen von Tankkarten noch bunter und vielfältiger“, prognostizierte der Zahlungsexperte.
Kaum verändert hat sich auch das Bild bei den Debit-Netzbetreibern: Bei den Indoor-Terminals (Datenbasis: 20.018 Terminals) belegt die Weat weiterhin ein Viertel des Marktanteils, gefolgt von den beiden Eigennetzbetreibern BP mit 22,7 Prozent und Shell mit 16,2 Prozent. Bei den Outdoor-Terminals (Datenbasis: 3.929 Terminals) führt Telecash mit 47,1 Prozent die Liste an, Lavego belegt mit 22,4 Prozent den zweiten Platz und knapp dahinter BS Payone (20,6 Prozent) den dritten.
Den größten Anteil der ELV-Zahlungsdienstleister hat Ingenico (42,2 Prozent), auf Platz zwei findet sich Shell (23,3 Prozent) wieder und Platz drei Telecash (15,6 Prozent). Mit 48,5 Prozent gehört BS Payone fast die Hälfte des Marktanteils im Segment Acquirer, Concardis hält 22,2 Prozent und Barclaycard 16,2 Prozent.
Betrachtet man die Hardware-Seite bleibt im Bereich Indoor weiterhin die Firma ICP Marktführer (49,6 Prozent), gefolgt von Verifone (31,6 Prozent) und CCV (9,1 Prozent), die vier Prozent Marktanteil gewinnen konnten. Im Outdoor-Bereich ist CCV mit 70,9 Prozent fast marktbeherrschend, 22,1 Prozent liegen bei ICP und 3,2 Prozent bei Verifone.
Mobile Payment wird immer relevanter
Blieben also die Marktanteile im Vorjahresvergleich weitgehend stabil, scheint sich dagegen in den vergangenen Monaten in der Branche zumindest in Bezug auf künftige Zahlverfahren einiges verändert zu haben. Auf die im Rahmen der Jahreserhebung gestellte Frage „Sehen Sie einen Vorteil, wenn Ihre Kunden per Smartphone bezahlen können?“ antworteten 2016 noch 78,8 Prozent mit ja, 2017 waren es bereits 84 Prozent. Das zeigt: „Immer mehr Unternehmen denken, dass sie die Digitalisierung mit dem Smartphone für den Verkaufs- und Bezahlprozess nutzbar machen wollen“, resümierte Stolte.
Auch bei der Frage nach der besten Technik des Smartphone Payments hat sich einiges geändert: Während im Vorjahr 100 Prozent der Befragten Near Field Communication (NFC) als das Mittel der Wahl einschätzen, waren es 2017 nur noch 81,8 Prozent. Dagegen rückten andere Lösungen in den Fokus: 63,6 Prozent und damit dreimal so viele Umfrageteilnehmer wie 2016 halten den QR-Code für eine sinnvolle Bezahllösung. Auch vom Barcode waren in diesem Jahr mehr Befragte überzeugt. „Früher glaubten die Umfrageteilnehmer, Smartphone Payment sei nur mit NFC zu machen. Heute ist das Bild deutlich differenzierter und die Digitalisierung schreitet voran“, kommentiert der Zahlungsexperte die Grafik.
Branchen- statt Eigenlösung
Ein Sinneswandel hat sich auch in Bezug auf die App-Lösungen eingestellt: 2016 hatten nur 65,6 Prozent Interesse an einer App-Zahlungslösung, 2017 waren es bereits 84,6 Prozent. „Im vergangenen Jahr war die Meinung noch sehr dominant, Eigenlösungen entwickeln zu müssen“, sagte Stolte. Inzwischen habe man aber erkannt, dass man nur schwer Reichweite bekommt, wenn es jeder selbst macht. Folglich waren 87,5 Prozent davon überzeugt, dass eine Branchen- oder Plattformlösung der richtige Weg ist, 2016 waren es nur 30,1 Prozent.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ 1./2.2018)