Die Zukunft sagen wir nicht voraus – aber wie Sie die Tankstellentechnik der Zukunft gestalten können!“ Mit diesem kühnen Versprechen warb der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen (Uniti) für seine zweijährliche Veranstaltung Forum Tankstellentechnik. Diesem Aufruf nach Magdeburg kamen letztlich rund 270 Gäste nach, darunter Experten aus Fachgremien, Entscheider in der Tankstellentechnik, Sachverständige und Fachleute aus Wirtschaft, von Behörden und Verbänden.
In seiner Auftaktrede machte der Vorsitzende von Uniti, Udo Weber, deutlich, wie er der Tankstelle trotz der sich wandelnden Mobilität langfristig eine Perspektive gibt. Den von der Bundesregierung favorisierten Weg „all electric“ kritisierte er, zumal die Debatten nur auf Ministerialebene, nicht aber im Bundestag stattfänden. Die volle Elektrifizierung des Verkehrs sei auch wegen mangelnder Rohstoffe zur Batterieherstellung, zum Beispiel Lithium und Nickel, und wegen potenzieller Brandgefahr von Autobatterien nicht der Königsweg. „Wir halten daher flüssige Kraftstoffe auch wirtschaftspolitisch für den richtigen Weg“, führte Weber aus. Vor allem die CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffe könnten künftig eine bedeutende Rolle spielen. „E-Fuels vereinbaren wirtschaftliche Vernunft und die ehrgeizigen Klimaziele von Paris gleichermaßen. Sie können in Reinform sowie als Beimischung zu herkömmlichen Kraftstoffen eingesetzt werden. Mit E-Fuels kann die Tankstelleninfrastruktur genauso weitergenutzt werden wie der Fahrzeugbestand unserer Kunden“, erklärte Weber.
Netzaufbau für die Alternativen Kraftstoffe
Nach dem Themenkomplex „Neuerungen im Wasserrecht“ stellte Ole Kolb von der Deutschen Energie-Agentur (Dena) die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung vor. Ein Ziel der Europäischen Union sei es, die Abhängigkeit von Mineralöl zu begrenzen, was Deutschland mit dem Nationalen Strategierahmen über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (NSR) umsetze. So soll bis ins Jahr 2025 ein EUweites Mindestinfrastrukturnetz an CNG-, LNG- und Wasserstofftankstellen geschaffen werden, Kolb sprach von einer „angemessenen Zahl“. Bis 2020 soll in Deutschland das Netz an Schnellladepunkten von aktuell 153 auf 7.000, das Netz an Normalladepunkten von 5.800 auf 36.000 wachsen.
Im Anschluss präsentierten die Entscheider von drei Mineralölgesellschaften, wie sie die NSR in der Praxis umsetzen. „Auf einige Jahrzehnte ist fossile Energie nicht wegzudenken“, stellte Daniel Kunkel, Leiter des Shell-Tankstellengeschäfts, klar. Er begründete diese Einschätzung mit konstant steigenden Absatzzahlen von Diesel und einem nur begrenzt veränderten Kaufverhalten der Verbraucher von neuen Pkw. Anders als in Frankreich und Österreich habe der Diesel-Verbrenner in Deutschland in den letzten zehn Jahren kaum Marktanteile verloren.
Gleichwohl engagiert sich Shell für diverse „new fuels“, neue Kraftstoffe. Jedoch würden in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Mobilitätskonzepte Sinn machen. In Brasilien beispielsweise seien Biokraftstoffe der ersten und zweiten Generation nachhaltig, in Katar wiederum teste man eine Gas-to-Liquid-Anlage (GTL). In Deutschland treibt man den Ausbau von Wasserstoff in der Initiative H2 Mobility voran, während in Niederlande Strom und LNG erprobt werden. Diversifizierung laute das Motto der Stunde.
Diesel politisch motiviert in Verruf gebracht
Das sieht auch Andre Stracke so, der das Engagement der Westfalen im Wasserstoffbereich derzeit noch als Beitrag in Sachen Forschung und Entwickung ansieht; die Wasserstofftankstelle in Münster rechne sich noch nicht. An dem Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur beteiligt sich Westfalen mit derzeit 30 Säulen, die bis zu 50 Kilowatt Ladeleistung bieten und denen weitere folgen sollen. Hierfür führt das Unternehmen eine Flottenkarte für Strom ein, die an 5.000 Akzeptanzstellen in Deutschland akzeptiert wird. Den Energiemix der Zukunft verglich Stracke mit einem bunten Blumenstrauß aus unterschiedlichen Antriebsenergien.
Auch Thomas Strauß, neuer Total-Tankstellendirektor, stellt sein Unternehmen für die Zukunft breit auf, sagt aber auch: „Wir glauben an den Diesel. Er ist derzeit sicherlich politisch motiviert in Verruf geraten.“ Lorenz Jung glaubt qua Amtes an den Wasserstoff. Für die H2 Mobility leitet er den Netzausbau, der bis ins Jahr 2023 auf 400 Stationen erfolgen soll. „Danach soll die H2 Mobility aufgelöst werden und die Marktmechanismen sollen selbst greifen“, sagte Jung. Im kommenden Jahr wolle das Joint Venture aus OMV, Shell, Total, Daimler, Linde und Air Liquide 100 Stationen betreiben. Während die Elektromobilität für kleine Autos der richtige Markt sei, sieht Jung Wasserstoff bei mittleren und größeren Autos im Vorteil, insbesondere auch für Vielfahrer wie Flottenfahrzeuge und Taxis.
Ein Themenkomplex des zweiten Veranstaltungstages war die Adblue-Versorgung und -Technik. In einem alternierenden Vortrag stellten Stefan Kunter und Thomas Voigt, die Geschäftsführer von Elaflex beziehungsweise Flaco, den Stand der Technik vor.
Adblue aus der Zapfpistole
Sie zeigten auf, dass in den kommenden Jahren jährlich zwischen vier und fünfeinhalb Millionen Diesel-PKW auf den Markt kommen, die die Harnstofflösung zur Abgasnachbehandlung benötigen, um die CO2-Ausstöße zu vermindern. Diese sinken laut Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts seit Jahren beinahe linear auf 126,5 Gramm pro Kilometer im Jahr 2016. Würden nur Benziner auf den Straßen fahren, läge der Wert bei 132,7, was beweise, dass man den Diesel für die ehrgeizigen Klimaziele brauche. Insofern sei für Tankstellen die Anschaffung von Adblue-Zapfsäulen eine möglicherweise lohnende Investition, um den Kunden eine möglichst bequeme Betankung zu ermöglichen.
(Autor: Michael Simon; der Artikel erschien in Sprit+ 10./11.2017.)