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Unter Denkmalschutz: Hamburgs Oldtimer Tankstelle

14.10.2022 10:27 Uhr | Lesezeit: 6 min
Oldtimer-Tankstelle_Hamburg_2022
Die Oldtimer Tankstelle wird nicht nur von Autoliebhabern geschätzt.
© Foto: Sina Hoffmann

Alex Piatscheck und Jann de Boer haben sich mit ihrer eigenen Oldtimer-Tankstelle einen Lebenstraum erfüllt. Im Jahr 2011 eröffneten die zwei Oldtimer-Fans die Tankstelle im Stil der fünfziger Jahre, zu der eine GTÜ-Prüfstelle sowie ein Restaurant gehören. Tanken kann man hier allerdings (noch) nicht.  

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Im Jahr 2003 haben sich Alex Piatscheck und Jann de Boer kennengelernt. De Boer war auf der Suche nach einer Garage, um an seinem Auto zu schrauben. "Ich habe Alex auf der Straße angesprochen", erinnert sich de Boer an das erste Aufeinandertreffen. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft. "Ich habe dann etwas später eine größere Garage gefunden. Die haben wir uns dann geteilt und sind so aneinandergewachsen." 

Entstanden ist die Idee der Oldtimer Tankstelle im Jahr 2008. De Boer war zu der Zeit als Maschinenbau-Ingenieur angestellt, hatte aber schon länger den Wunsch selbstständig zu sein. Piatscheck studierte Maschinenbau. Der Plan war, in einem historischen Gebäude – im Idealfall eine Tankstelle – eine Prüfstelle zu eröffnen. "Die Leute kommen mit ihren klassischen Fahrzeugen zur Prüfstelle, und falls es Wartezeiten gibt, können sie einen Kaffee trinken oder Mittag essen. Das Konzept fanden wir gut", sagt de Boer. „Außerdem wollten wir auch einen Treffpunkt für Oldtimer-Fans schaffen – einen Ort, wo man immer Gleichgesinnte trifft."


Keine Nachbarn, die gestört werden könnten

Die heutige Oldtimer-Tankstelle stellte sich als optimales Grundstück für das Vorhaben heraus. Dadurch, dass die Tankstelle im Industriegebiet in der Nähe des Hamburger Großmarkts liegt, gibt es keine Nachbarn, die durch den Lärm der Autos gestört werden könnten. Zudem ist die Lage für die Oldtimer-Fahrer günstig, da die Elbbrücken und die nächste Autobahnauffahrt nicht weit entfernt sind. Und auch in der Hamburger Innenstadt ist man innerhalb kürzester Zeit.

De Boer erinnert sich, in welchem Zustand sie das Gebäude vorfanden: "Es war alles sehr verbraucht und jahrelang nichts instandgesetzt. Da lief das Wasser aus den Wänden, denn das Dach war undicht, Scheiben waren kaputt und durch Metallplatten ersetzt, Tore der Hallen einfach zusammengeschweißt." Sie entwickelten ein Nutzungskonzept für das damals schon als denkmalwürdig anerkannte Gebäude und stellten ihr Konzept der Stadt und dem Denkmalschutzamt vor. "Wir haben einen langen Pachtvertrag bekommen. Unsere Bedingung war aber, dass das Gebäude ein offizielles Denkmal wird, um einen Abriss unmöglich zu machen und das Gebäude zu würdigen", erzählt de Boer. 

Die erste Hamburger Tankstelle unter Denkmalschutz

Nach der Restaurierung hat das zuständige Amt die Oldtimer-Tankstelle als erste Tankstelle der Nachkriegszeit in Hamburg unter Denkmalschutz gestellt. Doch warum war es den beiden ein so großes Anliegen, die Tankstelle unter Denkmalschutz zu stellen? De Boer er klärt: "Uns war von Anfang an wichtig zu zeigen, dass man Dinge reparieren kann und nicht sofort alles wegschmeißen muss. So ist es auch mit den Oldtimern, wenn man die hegt und pflegt, halten die ewig. Das ist der Kern von dem, was wir transportieren wollen. Das Gebäude an sich ist erhaltenswert. Und es gibt viele Menschen, die sich dafür interessieren. Das bekommen wir auch von den Gästen zu hören. Die erkennen, wie viel Zeit und Liebe wir hier reingesteckt haben."

Die "Großtankstelle am Brandshof" wurde 1953 gebaut. Der Billhorner Röhrendamm war damals eine stark befahrene Straße. Die Deutsche Benzol-Vertrieb-GmbH betrieb die Großtankstelle mit drei Zapfinseln und insgesamt sieben Säulen knapp zehn Jahre lang – bis der neue Großmarkt gebaut wurde. Der Billhorner Röhrendamm wurde zur Sackgasse und der einst belebte Betrieb an der Tankstelle kam zum Stillstand. 1983 wurde aufgrund des Baus der S-Bahn-Hochbrücke nach Harburg der Tankbetrieb eingestellt. Die Tanks wurden ausgebaut. Danach wurde das Gelände als Kfz-Werkstatt und Kfz-Handel genutzt und verkam im Laufe der Zeit.

Tatsächlich sieht heute alles so aus wie damals in den fünfziger Jahren. Der ehemalige Kassenraum des Tankwartes dient als Büro für die Prüfstelle. Der gläserne Anbau trägt immer noch die Bezeichnung Erfrischungsraum. In dem kleinen Restaurant soll es laut Google Bewertungen den besten Käsekuchen der Stadt geben. Von 8 Uhr bis 11:30 Uhr wird Frühstück serviert. "Wir gehen auf alle Wünsche ein", sagt de Boer. „Wenn einer von der Nachtschicht kommt und Lust auf Currywurst mit Pommes hat, bekommt er das." Außerdem gibt es einen täglich wechselnden Mittagstisch mit Lieferservice für den Raum Hamburg.


Die Oldtimer-Tankstelle am Hamburger Großmarkt

Oldtimer-Tankstelle_Hamburg_2022 Bildergalerie

Die ehemalige Waschhalle, später als Werkstatt genutzt, ist zum Reich von Piatscheck und seinen zwei Mitarbeitern geworden. Hier befindet sich die GTÜPrüfstelle. "Wir bieten die gleichen Leistungen wie andere Prüfstellen auch. Unser Schwerpunkt liegt eben bei Oldtimern. Die Oldtimer-Fahrer sollen sich hier heimisch fühlen. Dazu passt auch das alte Gebäude mit der authentischen Inneneinrichtung", erklärt de Boer. Er und sein Partner wissen aus eigener Erfahrung, dass alte Autos beim TÜV eher kritisch begutachtet werden, da der Aufwand der Untersuchung größer ist als bei neueren Autos. "Die Marktlücke haben wir gesehen, denn wir beschäftigen uns gerne mit alten Autos." Das hat sich mittlerweile auch bei den Oldtimer-Fahrern herumgesprochen: täglich kommen Fahrzeuge aus verschiedenen Jahrzehnten zur Prüfung.

Auch die Zapfinseln sind noch erhalten. Jedoch kommt aus den alten Zapfsäulen kein Kraftstoff, denn die Tanks wurden ja ausgebaut. Das große Gelände rund um die Tankstelle wird für Oldtimer-Veranstaltungen und Marken-Treffen genutzt. Es finden auch des Öfteren Drehs für Filme und Werbung sowie Fotoshootings statt.

De Boer und Piatscheck stehen seit Beginn des Projekts immer wieder vor großen Hürden. Die Restaurierung und Finanzierung war die erste große Herausforderung, die sie mit Hilfe von Freunden und Familie meistern konnten. Nun arbeiten sie seit einigen Jahren daran, endlich Kraftstoff an der Tankstelle anbieten zu können. Finanzierung, Genehmigungen und die bauliche Umsetzung nehmen viel Zeit in Anspruch – immer wieder gab es Rückschläge. Doch die beiden Autoliebhaber lassen sich nicht entmutigen. "Die Genehmigungen haben wir alle zusammen, die liegen auch schon länger in der Schublade", erzählt de Boer. Zufrieden klingt er jedoch nicht. "Wir sind jetzt tatsächlich auf der Zielgeraden, haben aber so viele Täler durchschritten, dass wir es erst glauben, wenn die Bagger hier auf dem Hof stehen", sagt er.

Die Teerdecke ist seit Jahren sanierungsbedürftig, daher muss die Fläche erneuert werden. Auch der Hochlauf der E-Mobilität und der Wandel der Tankstellen könnte einen Risikofaktor
darstellen. Schließlich ist der Einbau der Tanks eine große Investition, bei der man auch die sich verändernden Rahmenbedingungen bedenken sollte. 

Pflastersteine sammeln

Für die Sanierung des Hofes haben die beiden wieder ihre ganz eigenen Vorstellungen, für die sie keine Kosten und Mühen scheuen. "Wir wollen natürlich nicht nur eine neue Teerdecke haben", sagt de Boer. In den vergangenen zehn Jahren haben die Tankstelleninhaber auf verschiedenen Baustellen historische Pflastersteine gesammelt. Das lässt sich so einfach sagen, doch hinter der Sammelaktion steckt ein riesiger Aufwand. Angefangen hat es mit Hamburger S-Bahnhöfen. "Da waren viele Flächen gepflastert, aber auf Grund der geforderten Barrierefreiheit musste das alte Pflaster abgetragen werden. Mit den Baufirmen sind wir ins Gespräch gekommen und haben die Pflastersteine von zwei ersten Bahnhöfen bekommen. Weitere Bahnhöfe folgten und zu guter Letzt kam ein Großteil auch von der Sanierung des Heiligengeistfeldes, auf dem regelmäßig der Hamburger Dom stattfindet.

Langweilig wird es an der Oldtimer-Tankstelle soschnell also nicht. Denn bis der Kraftstoff an der Tankstelle fließt, wird es sicherlich noch eine Weile dauern.

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