So lange es mir gut geht, mache ich weiter.“ Bernhard Haag zeigt sich auch nach 66 Jahren im Tankstellen- und Waschgewerbe noch nicht betriebsmüde. Schon als kleiner Junge half er auf der 1952 gebauten Gasolin-Tankstelle seiner Eltern nahe dem pfälzischen Kirchheimbolanden fleißig beim Betanken der Kundenfahrzeuge mit der Handpumpe.
Kaum hatte er selbst den Führerschein, unterstützte er sie beim mittlerweile dazugekommenen Heizölhandel und lieferte in den Schul- und später Semesterferien mit dem Drei-Tonner den Brennstoff aus. „Man könnte sagen, ich habe Benzin im Blut, und auch wenn ich damals die schweren Heizölschläuche 50, 60 Meter weit zum Einfüllstutzen schleppen musste, hat mir die Mitarbeit im Familienbetrieb schon immer Spaß gemacht“, erinnert sich Haag. Der Einstieg ins elterliche Geschäft war vorprogrammiert.
Mit 24 Jahren schloss er sein BWL-Studium in Mannheim als Diplom-Kaufmann ab und begann ein Einarbeitungsprogramm bei Esso. „Das kam mir aber alles schon sehr bekannt vor, was ich während der Einarbeitung gezeigt bekam“, so Haag. Nach einem halben Jahr ging es in den Außendienst, Haag wurde Verkaufsleiter im Raum Hanau und später in Frankfurt.
„Es war abzusehen, dass Aufgaben in der Esso-Zentrale folgen würden, ich hatte aber weiter meine Selbstständigkeit im Kopf“, erzählt er. Im Außendienst kam es auch zu ersten Kontakten mit der Waschbranche. „Ich habe festgestellt, dass an den Stationen, die ich vom Einbau einer Waschanlage überzeugen konnte, die Kraftstoffumsätze deutlich anstiegen. Waschanlagen waren schon damals ein Marketinginstrument“, schildert Haag seine ersten Erfahrungen mit der Autowäsche.
Existenzkämpfe
Mit dem damaligen Gebietsverantwortlichen des Waschanlagenherstellers war Haag schnell freundschaftlich verbunden. Als der sein Gebiet wegen eines Ortswechsels abgab, bot er Haag den Posten an. Fortan betreute der junge Kaufmann die Postleitzahlregion 6 als selbstständiger Handelsvertreter: „1972 war das Gebiet noch relativ jungfräulich, es gab nur wenige Portale und keine Waschstraßen. Als ich 1990 aufhörte, liefen über 400 Portalanlagen, außerdem konnte ich mehrere Waschstraßenketten für den Hersteller gewinnen“, blickt Haag zurück.
1978 verwirklichte er sein ursprüngliches Ziel, die Übernahme des elterlichen Betriebes. Pläne für einen Ausbau der Tankstelle hatte er schon im Kopf, doch die Ölkrise funkte ihm dazwischen. Der Geschäftspartner schloss seine Niederlassung in Mannheim und stellte die Lieferung an Haag ein. „Dazu war er eigentlich verpflichtet, aber ich war damals noch grün hinter den Ohren und habe das so hingenommen“, schildert Haag seine ersten Erfahrungen mit der Ölbranche.
Auf der Suche nach einem neuen Lieferanten stieß er auf die ELF, die ihm bei Umwandlung der freien Tankstelle in eine ELF-Station die Heizölbelieferung zusagte. Ein halbes Jahr später baute er an der B 40 eine neue Tankstelle mit der ELF. „Ich unterlag damals der Fehleinschätzung, dass die großen Konzerne mit der Krise im Hintergrund die ‚Freien‘ platt machen würden und schloss einen 25-Jahres-Vertrag mit der ELF.“
1995 kamen neue Umweltvorschriften und ELF war zwar bereit für Zuschüsse, aber unter der Bedingung, den Vertrag weitere 20 Jahre zu verlängern, „was ich dankend ablehnte und den Vertrag kündigte. Das führte zu einem Existenzkampf, der für mich fast das Aus bedeutete“. Der Konzern baute kurzerhand die Zapfsäulen ab, das Einzige, was ihm an der Station gehörte.
Dabei stellte sich heraus, dass das Erdreich darunter aufgrund mangelnder Wartung der Zapfsäulen durch die Gesellschaft hoch kontaminiert war. Es folgten Gutachten und Dekontamination durch Erdabtragung. „100 Container Erdreich, die ich für 350.000 DM entsorgen musste. Es klaffte ein sechs Meter tiefes Loch, wo vorher die Tankstelle war“, schildert Haag. Die Regress-Klage gegen den Konzern führte nach fünf Jahren zu erheblichen Zahlungen seitens der ELF durch Vergleich.
Endlich frei
Parallel zur Tankstelle baute Haag auch seine Handelsvertretung aus: „Ich dachte mir, warum soll ich den Kunden nur die Anlage verkaufen, also kam eine Chemievertretung für Rumler-Produkte dazu, außerdem noch Staubsauger von EWA und anderes Waschanlagenzubehör.“ Das Geld investierte er weiter in die Tankstelle und eine 25-Meter-Waschstraße, die auch als Vorzeigeobjekt für seine Handelsvertretung diente.
Im Frühjahr 2000 baute Haag eine neue Tankstelle am Standort an der B 40, jetzt wieder als freie Tankstelle unter BFT-Flagge. Dies fiel gerade in die Zeit des Preiskrieges zwischen MÖG und „Freien“, doch bis die Tankstelle fertig war, war auch das beigelegt. „Zum Bundesverband freier Tankstellen (BFT) hatte ich langjährige Beziehungen über die Waschanlagenvertretung, hier fühlte ich mich gut aufgehoben nach den ganzen Querelen mit der MÖG“, so Haag weiter. Im Alter von 65 verpachtete Haag schließlich die Station an Agip, blieb der Branche aber durch sein bis heute andauerndes Engagement in verschiedenen Gremien beim BFT und Bundesverband Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche (BTG) erhalten.
Schaum stellt ruhig
Zur Ruhe setzte er sich deshalb jedoch nicht. „Als Teilzeitrentner betreibe ich heute die Alpa-Waschstraße auf dem Metro-Gelände in Mainz-Kastel“, sagt Haag schmunzelnd. Die hatte er 1992 erworben und seither immer wieder um- und ausgebaut. Zuletzt wurde 2017die Waschtechnik von Schleicher erneuert. Mit Schaumvorhang, Politurprogramm und Lackversiegelung, untermalt durch mehrere LED-Lichtorgeln, ist die Anlage wieder up to date.
„Meine Erfahrung zeigt: Es gibt nicht die allein selig machende Lösung im Waschgeschäft, selig macht das, was ich als Betreiber überzeugend vertrete. Wenn ich sicher bin, dass ein Konzept funktioniert, dann wird das auch umgesetzt und an den Mann gebracht – wie etwa der Schaumvorhang in meiner Anlage. Ein langjähriger Kollege sagte einmal: Mach Schaum auf die Scheibe, damit stellst du den Kunden ruhig. Da ist was dran.“
Und so wie Haag Ölkrisen und Benzinpreiskriege überstand, trotzte er auch den Preiskämpfen im Waschmarkt, als sich dieser in seiner Region verdichtete: „Ich konnte immer gelassen reagieren, weil meine Anlage bezahlt war. Da konnte ich auch mal eine Zeitlang zum Selbstkostenpreis waschen. Aber auch Preiserhöhungen wurden von meinen Kunden immer anstandslos akzeptiert, weil ich sie mit Qualität überzeugen konnte. Ich bin halt ein Kaufmann von altem Schrot und Korn. Mein Motto lautet: Ein Geschäft ist nur dann ein gutes, wenn beide Seiten davon profitieren.“ Bernhard Haag will weitermachen, solange es geht. Eine schwere Operation Anfang 2017 konnte ihn nicht ausbremsen. Auch hier zeigt er sich kämpferisch.
(Autor: Dieter Väthröder; Der Artikel erschien in Sprit+ 8/2018.)
Helmut Frank