Digital Signage – was für Menschen, deren Muttersprache nicht Englisch ist, erst einmal wie ein Zungenbrecher anmutet, heißt zu Deutsch digitale Beschilderung. Hinter dem englischen Wortungetüm steckt ein multimediales Konzept, mit dem Einzelhändler mit dem Einsatz von Bildschirmen, auch Screens genannt, und der entsprechenden Software ihre Promotionprodukte noch aktiver bewerben können.
Auch wenn Digital Signage erst seit wenigen Jahren so richtig Einzug in die Tankstelle findet, gibt es die digitale Werbung mit bewegten Bildern schon seit Anfang des Jahrtausends. Der Tankstellentechnikanbieter Scheidt & Bachmann präsentierte damals auf der Messe Automechanika eine Multimedia-Säule mit einem Display. Auf diesem wurde dem Kunden neben dem Tankpreis auch Werbung angezeigt.
Promotion-Displays am POS
Doch es dauerte noch einige Jahre, bis die digitale Werbung auch die Shops deutscher Tankstellen eroberte. Im Sommer 2009 koordinierte der Tankstellendienstleister Nordland den Rollout von 500 LCD-Monitoren auf 250 Aral-Stationen. Seither ist die Bedeutung des Themas stetig gestiegen. Auch Scheidt & Bachmann bietet seit vier Jahren sogenannte Promotion-Displays für Shops an. Michael Janßen, Software-Architekt im Unternehmen, sagt: „Wir merken, dass das Thema Digital Signage in den vergangenen ein bis zwei Jahren immer interessanter wird und die Nachfrage steigt.“ Und Marketingleiterin Christina Brunen berichtet von der Messe Tankstelle & Mittelstand ergänzend: „Es kamen in Münster viele Kunden aktiv auf uns zu und fragten nach, wie die Technik genau funktioniert. Das war früher nicht so.“
Für Brunen ist die Digitalisierung der Tankstellenwerbung ein logischer Schritt. Im Alltag haben sich Tankstellenbetreiber wie Kunden daran gewöhnt, mit digitalen Lösungen immer besser umzugehen.
Diesen Trend gilt es nun in der Tankstelle aufzugreifen.
Dreigeteilte Monitore
Anhand einer Agip-Station in München demonstrierte Scheidt & Bachmann, wie Kunden am POS mit digitaler Werbung Kaufanreize bekommen sollen. An beiden Kassen ist jeweils ein 23 Zoll (58 Zentimeter Bilddiagonale) großer und vertikal ausgerichteter Monitor aufgestellt. Dieser ist wie beim Konkurrenten Huth in drei Bereiche aufgeteilt. Im oberen kleinen Bereich sieht der Kunde auf zwei Zeilen den aktuellen Verkaufsvorgang. In den beiden darunterliegenden Feldern, die zusammen etwa 85 Prozent der Fläche ausmachen, wird der Kunde in frei wählbaren Intervallen über wechselnde Angebote informiert. Den mittleren Bereich vermarktet Agip zentral, den unteren Bereich pflegt der Stationär selbst ins System ein. Die Bilder hierzu stammen aus einem Foto-Pool, den die Agip bereitstellt.
„Beim Kassiervorgang schaut der Kunde ohnehin auf das Display. Dadurch bietet sich die Gelegenheit, ihm zusätzlich aktuelle Produkte zu verkaufen“, erklärt Brunen die Verkaufspsychologie.
Bewegung macht aufmerksam
Die digitale Technik ermöglicht es den Betreibern, alle paar Sekunden auf ein und derselben Fläche eine andere Promotion zu zeigen. Dadurch entsteht eine Bewegtheit, auf die der Kunde anders reagiere als auf klassische Display-Werbung. Petra Ehlers, Marketingleiterin bei Nordland, erklärt: „Die Reaktion auf Bewegung ist in unseren Genen verankert. Bewegung schafft Aufmerksamkeit, bewegte Bilder inspirieren und wecken Emotionen.“ Die Emotionen schließlich sorgen für Kauf-anreize und spontane Kaufentscheidungen, sagt Ehlers.
Im Idealfall profitiert ein Stationär nicht nur von einem höheren Abverkauf. Auch die Faktoren Optik und Image können durch Digital Signage verbessert werden. „Der Stationär präsentiert die Station mit Digital Signage als modernes und fortschrittliches Unternehmen“, glaubt Ehlers. Obendrein spare sich der Betreiber Zeit und arbeite nachhaltiger, argumentiert Brunen: „Das Bewusstsein der Kunden ist jetzt da, eine langfristige Lösung einzusetzen, die sich im Laufe der Zeit amortisiert. Bislang musste man ja für jede Promotion-Aktion Banner drucken, Plakate machen und diese dann aufhängen. Bei der digitalen Lösung hat man einen einmaligen Invest, ist aber anschließend flexibler und moderner aufgestellt.“
Scheidt & Bachmann bietet die Monitore als Komplettlösung immer zusammen mit einem Kassensystem an. Das biete den Vorteil, erklärt Software-Spezialist Janßen, dass immer der korrekte Preis aus der Artikeldatenbank angezeigt wird. Der Kunde hat nun die Wahl: Er kann, wie im Falle von Agip, entscheiden, dass er die Werbung komplett selbst einsteuert und welchen Teil des Contents er zentral oder stationär verwaltet. Kleinere, unabhängige Stationäre, hinter denen kein Marketing-Apparat sitzt, haben hingegen die Option, mit einem Hintergrundsystem passende Grafiken selbst anzufertigen und zu gewünschten Uhrzeiten in veränderbaren Intervallen abzuspielen.
Insbesondere für einzelne Stationen und kleinere Filialunternehmen hat Nordland das Konzept „TV to go“ entwickelt und auf der Messe Tankstelle und Mittelstand vorgestellt. Der Kunde kann hier mit
vorgefertigten Templates im Baukastenprinzip eine individuelle Sendeschleife erstellen. Im Paket S für 2,67 Euro am Tag, rechnet Ehlers vor, erhält der Shop-Betreiber einen LED-Public-Display 32 Zoll,
einen Player-PC, die Wandhalterung sowie das entsprechende Content-Management-System zur Erstellung der Werbe-Inhalte.Außerdem enthalten sind Service-Leistungen sowie das User-Helpdesk.
Konzept für kleine Stationen
„Das Konzept ‚TV to go‘ wurde von uns entwickelt, um auch für einzelne Stationen und kleinere Filial-Unternehmen eine sowohl kostengünstige als auch praxis- nahe und effiziente digitale Lösung für die zielgerichtete und moderne Kunden ansprache und Werbung auf der Station anbieten zu können“, erklärt Ehlers.
Aber muss eine moderne Kundenansprache zwangsläufig digital sein? Dazu haben die Digital-Signage-Spezialisten unterschiedliche Ansichten. Janßen von Scheidt & Bachmann hält es zwar für möglich, klassische Werbeträger (Aufsteller, Rahmen, Displays) mit Digital Signage zu mischen, „aber dadurch hat man nur zusätzlichen Aufwand. Der Aufwand für die Gestaltung am Monitor ist kleiner und Fehler sind viel leichter korrigierbar.“
Ehlers von Nordland hingegen hält eine gute Kombination aus beiden Werbemöglichkeiten für optimal, „denn ein Zuviel an bewegten visuellen Reizen kann durch Reizüberflutung ebenfalls sein Ziel verfehlen.“ Diese Gefahr kann Brunen bisher nicht in der Tankstellenbranche ausmachen.
Für Wartezonen prädestiniert
Bei der Positionierung der Monitore ist der Kunde komplett frei. Prinzipiell lassen sich die Screens überall, ob im Forecourt oder im Shop, ansteuern, solange sie über ein Stromkabel und am Netzwerk angeschlossen sind. Jedoch machen die Monitore nicht überall Sinn. Sinnvoll erscheinen sie in Warte- und Aufenthaltszonen wie zum Beispiel bei der Waschanlage, im Kassenbereich oder im Bistro. „Zu beachten sind bei der Wahl der Platzierung aber standortindividuell natürlich auch die jeweiligen Sichtachsen und Laufwege“, sagt Ehlers und gibt zu bedenken, „dass für platzierte Werbung in den Tabakregalen strenge Vorgaben nach europäischem Recht gelten.“
Es ist schwierig festzustellen, wie effizient digitale Werbung tatsächlich ist. Zwar können Betreiber im Kassensystem durchaus überprüfen, wie viele per Digital Signage beworbene Artikel sich in einem gewissen Zeitraum verkauft haben. Aber oft werden die Produkte meistens gleichzeitig über andere Kanäle beworben. Allerdings: Studien belegen, dass der Mensch Informationen am besten dauerhaft im Gehirn speichert, wenn er sie sieht. Um sie zu sehen, muss er sie erst einmal wahrnehmen. Und eben das kann Digital Signage leisten.
(Veröffentlicht in tankstellen markt 6.2015, Michael Simon.)