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Tarmstedter Tankstelle: Über 90 Jahre Jahre in Familienhand

05.04.2024 07:15 Uhr | Lesezeit: 3 min
Familie Willenbrock (v.l.n.r.): Joscha, Bastian, Adelheid und Bernd Willenbrock.
© Foto: Susanne Löw

Der Tarmstedter Familienbetrieb mit Autohaus und Tankstelle behauptet sich seit 91 Jahren und die vierte Generation steht schon in den Startlöchern.

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Fährt man von Bremen in nördlicher Richtung in die rund 30 Kilometer entfernte 4.000-Einwohner-Gemeinde Tarmstedt, sieht man schon kurz nach dem Ortseingang das 10.000 Quadratmeter große Gelände der Familienbetriebe "Autohaus Warncke" und "Aral-Tankstelle Tarmstedt". Ein Ort, an dem über Generationen hinweg seit fast 100 Jahren Geschichte geschrieben wird. Es lohnt sich daher, über einen Tankstopp hinaus zu bleiben und sich mit der Familie über ihren Weg zu unterhalten .

Am Anfang war da nur ein Zapf-Fass

Zur Zeit der Gründung des Kfz-Betriebs "Gebrüder Warncke" durch Lüer und Wilhelm Warncke im Jahr 1932 brauchte man nicht viele Hände, um die Anzahl der Autos in Tarmstedt zu zählen. Die ein Jahr später dazugekommene Tankstelle bestand daher anfangs auch nur aus einem Nitag-Benzinzapf-Fass, das 1956 in einer Gasoline Tankstelle aufging.

Ein Jahr später übernahmen Gründersohn Werner Warncke und seine Ehefrau Anna die Leitung der Geschäfte – für über 50 Jahre. Seit 1979 firmierten die Tankstelle und das Autohaus, das heute die Marken Volkswagen Pkw und Nutzfahrzeuge, Škoda und Audi als Servicepartner vertritt, jeweils als eigene Unternehmen. Für Kunden sind die "Warnckes" aber bis heute oft ein und dasselbe Unternehmen.

Mittlerweile trägt die dritte Generation die Verantwortung: 1995 sind die Söhne von Werner und Anna Warncke – Wolf und Peter – in die Geschäftsführung mit aufgenommen worden. Tochter Adelheid Willenbrock und ihr Mann Bernd leiten seit 2005 die Tankstelle, deren Partner seit 1971 Aral heißt. Die gelernte Goldschmiedin Adelheid und ihr Mann kennen sich schon so lange, dass Bernd bereits als Schüler in der Tankstelle aushalf und nach Maschinenbau-Lehre, Meistertitel und zwölf Jahren bei Mercedes-Benz gerne das Angebot seines Schwiegervaters annahm, ins Sprit-Business einzusteigen. "Schon damals gehörte neben dem Tankdienst die Fahrzeugaufbereitung in der Waschhalle für das Autohaus nebenan zu unseren Dienstleistungen", erinnert er sich.

Trinkgeld für die Vierjährige

Bernd und Adelheid Willenbrock haben zwei Söhne; als die im Kindergarten waren, stieg Adelheid ebenfalls in Vollzeit bei der Tankstelle ein. "Alle Kinder – von klein auf mit dem Thema Auto verbandelt – wurden übrigens in jeder Generation immer als Beschäftigte der Firma angemeldet, damit sie als Aushilfe einspringen konnten", erinnert sich Wolf Warncke. Die vierte Generation kennt das auch: Sohn Joscha, der als gelernter Automobilkaufmann im Autohaus der Onkel arbeitet, ist Kommanditist der Tankstelle. Sein Bruder leitet die Werkstatt des Autohauses. Dessen vierjährige Tochter arbeitet zwar noch nicht mit, entlockt aber Tankstellenkunden so manches Lächeln und auch mal ein Trinkgeld.

Die Tankstelle entwickelte sich seit den 1970er-Jahren beständig weiter, Aral blieb. "Erst kürzlich haben wir den Vertrag mit Aral verlängert", berichtet Bernd Willenbrock. "Gemeinsam wollen wir zwei Ladesäulen à 350-kW-Ladepunkten errichten." Das passt zum Engagement von Wolf Warncke im Autohaus, in dem heute 44 Mitarbeiter und elf Azubis tätig sind: 2016 etablierte er die erste Schnellladesäule in der Region. Bis zu 62 Prozent der verkauften Neuwagen von Warncke fahren elektrisch. "E-Mobilität wird sich aufgrund des besseren Wirkungsgrads durchsetzen", ist sich Wolf Warncke sicher. Bernd Willenbrock denkt dabei im Sinne der Tankstelle ebenfalls weiter: "E-Mobilität bedeutet einen längeren Aufenthalt beim Tanken. Darauf können wir uns durch eine verbesserte Aufenthaltsqualität im Shop einstellen: mit Lounge-Feeling und Arbeitsmöglichkeiten."

Hier gibt es sogar Fahrkarten

Veränderung kennen die Willenbrocks: 2000 entstand eine neue Wasch- und Pflegehalle, parallel fand mit Aral die Shop-Erweiterung inklusive Bistro statt. "Neben dem Kraftstoffverkauf und unserem Bistro zählen die Fahrzeugwäschen dank unserer drei Freiwaschplätze und der gut laufenden Waschanlage zu unseren Schwerpunkten", zählt Bernd Willenbrock auf. Außerdem gehören das Shop-, Tabak- und Lottogeschäft sowie der DHL-Paketshop zum Portfolio. Die Süßwaren liefert Lekkerland. "Und über den ,Metronom Treffpunkt' verkaufen wir Tickets für Fahrten im Regionalverkehr hier in Norddeutschland", ergänzt Bernd Willenbrock.

"Treffpunkt" – das scheint auch generell für die Tankstelle mit 14 Mitarbeitern inklusive Aushilfen zu gelten: Gerne kommen die Tarmstedter für einen Schnack hier zusammen. Die Begegnung mit den Menschen angesichts der hohen Frequenz ist es auch, die Bernd Willenbrock bei der Arbeit an der Tankstelle motiviert: "Mir macht es Spaß, die ganze Bandbreite an Menschen kennenzulernen." Viel Bewegung – das beobachtet der Tankstelleninhaber aber auch insgesamt in der Branche. "Man sollte täglich prüfen, ob man an einer Stelle nachjustieren muss."

Das klingt nach Disziplin. Was machen die Tarmstedter seit über 90 Jahren noch besonders gut? Der Familienverbund macht viel aus, die Wahrnehmung als "ein Betrieb" von Autohaus und Tankstelle trägt ebenfalls dazu bei und mehrere Generationen arbeiten hier wie dort Hand in Hand. Und sind dabei ehrgeizig: "Das Tankstellengeschäft ist härter geworden, man muss um jeden Euro als Ertrag kämpfen – etwa in Verhandlungen mit Lieferanten", ergänzt Bernd Willenbrock.

Erfolg setzt sich durch: Von den einst vier Tankstellen am Ort ist seit gut 30 Jahren nur die Aral Tankstelle geblieben. Ein weiterer Erfolgsfaktor laut Bernd Willenbrock: "Qualität ist entscheidend; eine Waschanlage braucht etwa Pflege." Neben den harten Fakten scheint in Tarmstedt aber auch vor allem die Chemie zwischen Betreibern und Kundschaft zu stimmen: "Es ist wichtig, sich angemessen mit Reklamationen zu beschäftigen", so der Tankstelleninhaber. "Passieren kann immer etwas, aber entscheidend ist, wie man damit umgeht. Man muss Kunden ernst nehmen!" Dazu gehöre auch, Dinge zu erklären, wenn der Kunde andere Vorstellungen hat.

Marke "Timmi" als Erfolgsfaktor

Die richtige Kommunikation mit dem Kunden – das hat auch Manfred Timm gelebt. "Unser ,Timmi' war der erste, einzige und auch letzte gelernte Tankwart in der ganzen Region", sagt Wolf Warncke. Man spürt: Auch Timm ist Teil der Familie; er erzählt von seiner jahrzehntelangen Leidenschaft, Hingabe und Akribie, die er in seinem Job als Tankwart an den Tag gelegt hat: "Nach der Schulzeit wollte ich 1967 eigentlich bei den Warnckes in der Werkstatt lernen, aber dort waren bereits alle Plätze vergeben", erinnert er sich. Warncke hat das Talent des lebhaften, sportlichen und offenherzigen 15-Jährigen aber schnell erkannt und ihm eine Stelle als Tankstellen-Azubi angeboten - zumal damals schon geplant war, dass die Tankstelle ein eigenständiger Betrieb werden sollte.

Wie alle Azubis bei Warncke musste auch Timm durch die Buchhaltungsschule von Anna Warncke – damals noch mit echtem "Buchbrett". "Viele Azubis haben geschimpft, aber dabei doch gelernt, wie Buchhaltung geht", erinnert sich Bernd Willenbrock, der seiner Schwiegermutter ebenfalls dankbar ist für die Einarbeitung in die Welt der Zahlen. Mit 18 Jahren hatte Timm dann ausgelernt, beim Bund sämtliche Führerscheine gemacht und dann viele Jahre lang bei den Warnckes in seinem Blaumann Autos betankt und sämtliche Services rund ums Auto angeboten: Öl checken, Reifendruck überprüfen, Frostschutzmittel nachfüllen. Ein "Klönschnack" gehörte immer dazu. Auch fürs Autohaus war er aktiv, hat Fahrzeuge überprüft, Fahrzeugzustände überprüft. "Ich hatte immer zu tun, war auf dem ganzen Gelände unterwegs", so Timm. Schnell kannte er daher die Kunden, die Branche und auch die Technik, die sich seit seinem Arbeitsbeginn rasant entwickelten.

Radio, Felge, Reling

"Am Anfang hatten ja nur der Zahnarzt, der Schlachter und der Bürgermeister ein Auto, im Laufe der Zeit nahm das zu", so Timm. "Irgendwann gab es die ersten Autos mit Radio, dann kamen die Stereoanlage, die Aluminiumfelge, die Dachreling." Timm hat jede Entwicklung hautnah miterlebt – auch im Autohaus: "Eines Tages gab es im Autohaus nicht nur Autos, sondern auch Kredite." Mit den Autos nahm die Arbeit zu. "Zu Anfangszeiten haben wir 15.000 Liter Sprit im Monat verkauft, irgendwann waren es bis zu 400.000."

Und ganz nebenbei veränderte sich auch die Gesellschaft: Frauen fuhren auf einmal ebenfalls Auto, arbeiteten auch an der Tankstelle, in der Waschhalle und in der Werkstatt. Eine der größten Veränderungen war dann aber die Einführung des SB-Tankens. Tanken mit Bedienung war damit vorbei.

Wolf und Bernd, die ihren "Timmi" seit Kindesbeinen an auf dem Hof erlebt und mit ihm zusammengearbeitet haben, schätzen ihn bis heute und haben viel von ihm mitgenommen. Seine Devisen: "In der Ruhe liegt die Kraft. Eins nach dem anderen. Und: Sage, was du tust, und tu, was du sagst." Auch die Tatsache, dass man jeden Kunden individuell betreuen, ernst nehmen und ihm auch mal einen Gefallen ohne Rechnung tun muss, hat Timm bereits gelebt. "In der Waschhalle hat er einen regelrechten psychologischen Dienst für unsere Kunden angeboten - durch Offenheit, Vertrauen und verständnisvolle Gespräche", erinnert sich Bernd Willenbrock. "Bis heute sage ich meinem Tankstellenpersonal, dass sie durch eine nette Begrüßung oder mal einen Tipp einen bleibenden Eindruck hinterlassen können - denn Tanken an sich ist ja austauschbar."

Der "psychologische Dienstleister"

Anfang der 2000er-Jahre musste Timm aus Gesundheitsgründen die Arbeit aufgeben, aber auch heute noch kennt man ihn in der Region. Als Rentner wird er gerne in und um Tarmstedt eingeladen – auf einen Kaffee oder auch einen Klönschnack, ganz wie damals. Denn seine offene, kommunikative Art hat er nie verloren. Der "psychologische Dienstleister" ist also bis heute aktiv.

Und wie geht es an der Tankstelle weiter? Abgesehen von der elektroautomobilen Zukunft? "Nächstes Jahr bin ich 30 Jahre auf dem Hof, mit den Aushilfszeiten sogar schon 45", resümiert der 63-jährige Bernd Willenbrock. Für ihn und seine 64-jährige Frau Adelheid sei es daher der nächste Schritt, allmählich die nächste Generation einzubinden. Wie auch immer das aussehen wird: Man hat das gute Gefühl, dass auch dieser Generationswechsel gelingen wird.


90 Jahre Tankstelle in Familienhand

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