Von Holger Holzer/SP-X
Das Problem des Verbrennungsmotors ist gar nicht die Verbrennung selbst. Sondern das, was verbrannt wird. Diesel und Benzin sind zum einen nicht unbegrenzt vorhanden, zum anderen schädigen die Verbrennungsprodukte Klima und Gesundheit. Seit Jahrzehnten arbeiten Autoindustrie und Wissenschaft daher an synthetischen Kraftstoffen, die unendlich verfügbar sowie mehr oder weniger umweltneutral sind. Mit Erfolg – aber trotzdem ohne kurzfristige Marktchancen.
Biokraftstoffe der ersten Generation gescheitert
Zuletzt sorgte Designer-Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen Mitte des vergangenen Jahrzehnts für Furore und große Hoffnung. Weltweit galt er als kurzfristige und günstige Lösung des CO2-Problems im Straßenverkehr. Die dahinter stehende Rechnung ist einfach und macht bis heute den Hauptreiz der synthetischen Kraftstoffe aus: Bei der Verbrennung kann nur so viel CO2 entstehen, wie zuvor von den als Rohstoff dienenden Pflanzen oder aus der Umgebungsluft gebunden wurde. Ein Nullsummenspiel also, eine komplett ausgeglichene Klimabilanz. Hinzu kommt: Getankt werden können biologische Kraftstoffe im Prinzip an jeder konventionellen Tankstelle von allen konventionellen Autos. Anders als etwa bei der Elektromobilität sind also weder an der Fahrzeugflotte noch an der Infrastruktur große Änderungen nötig.
Trotzdem haben sich die sogenannten Biokraftstoffe der ersten Generation nicht durchgesetzt. Die in den 2000er-Jahren angebotenen Flex-Fuel-Autos mit Ethanolmotor, vor allem von Ford und Volvo lanciert, floppten hierzulande. Und auch der als umweltfreundlich angepriesene E10-Kraftsstoff findet bis heute in Deutschland nur wenige Fans.
Weltweit sieht das bis auf einige Märkte in Südamerika nicht anders aus. Wohl wichtigster Grund für das Scheitern der ersten Biokraftstoffe war die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Was als Sprit im Tank landete, fehlte auf den Tellern der Bevölkerung. Vor allem in agrarisch geprägten Entwicklungsländern hätten große "Kraftstoff-Farmen" zu Versorgungsproblemen geführt. Als globale Lösung des CO2-Problems war Biosprit damit gescheitert.
2. Generation alleine von Audi genutzt
Das Teller-Problem ist mittlerweile gelöst. Die Biokraftstoffe der zweiten Generation beispielsweise nutzen nicht mehr komplette Feldfrüchte, sondern nur noch zum menschlichen Verzehr ungeeignete Pflanzenreste wie Stroh oder Holzschnitze. Diese Biomasse wird in Gas umgewandelt und kann anschließend bei Bedarf verflüssigt werden ("Biomass-to-liquid").
Trotzdem setzt als einziger Autohersteller heute Audi öffentlich sichtbar auf E-Kraftstoffe, in Ingolstadt E-Fuels genannt. Neben bereits bestehenden Syntheseanlagen für E-Gas und E-Benzin ist auch die Produktion von E-Diesel geplant. Jeweils aber nur in sehr kleinem Umfang. Die Herstellung in großem Stil lohnt sich einfach nicht – sie wäre so teuer, dass der umweltschonende Kraftstoff angesichts niedriger Rohölpreise dem Autofahrer aktuell kaum zu verkaufen wäre.
Für die VW-Tochter sind ihre Designer-Kraftstoffraffinerien trotzdem nicht nur Image-Projekte, sondern auch der Versuch, beim Thema Biosprit einen Fuß in der Tür zu behalten. Denn auch wenn Designerkraftstoff in Zeiten des Elektroauto-Hypes weder in der öffentlichen Wahrnehmung noch in den Entwicklungsabteilungen der Autohersteller eine große Rolle spielt, könnte er in Zukunft durchaus noch relevant werden. Die Internationale Energie-Agentur etwa rechnet für 2045 mit einem Biosprit-Anteil von rund 20 Prozent am weltweiten Energiebedarf des Straßenverkehrs.
3. Generation zieht Kohlenstoff aus Luft
Dabei dürfte dann vor allem die dritte Generation der Biokraftstoffe zum Einsatz kommen, die ganz auf Biomasse verzichtet und den für die Spritproduktion benötigten Kohlenstoff kurzerhand aus der Luft zieht. Auch Audi setzt bereits teilweise auf dieses Verfahren. Problem: Die Produktion ist noch energieaufwendiger als bei den schon sehr energiehungrigen Biokraftstoffen der Vorgängergenerationen.
Mit konventionellem Strom wäre sie extrem teuer. Mit unbegrenzter Sonnen- oder Windkraft hingegen sähe die Sache anders aus. Riesige Solar-Kraftstofffarmen in der arabischen Wüste, direkt neben den Ölfördertürmen? Durchaus denkbar, wenn auch wohl erst frühestens im kommenden Jahrzehnt. Der synthetisierte Sprit könnte dann die wachsende Autoflotte Afrikas umweltschonend antreiben.
Ob der klimaneutrale Ökosprit aus der Wüste auch den Weg in Europas Autos findet, bleibt jedoch abzuwarten. Denn es wäre viel effizienter, den Strom direkt ins Elektroauto zu laden, anstatt ihn erst verlustreich in Flüssigkeit zu verwandeln, um diese dann ebenso verlustreich in Bewegungsenergie umzusetzen. Auch die Herstellung von Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge mit Hilfe von Strom wäre der Biosprit-Synthese in Sachen Effizienz überlegen. Und in Westeuropa hat die Umstellung der Fahrzeugflotte auf Strombetrieb anders als etwa in Afrika bereits, wenn auch langsam, begonnen.
Andererseits ist das sehr flüchtige und leicht brennbare Wasserstoffgas nur schwer über weite Strecken zu transportieren; und auch ein Stromkabel vom Roten Meer bis zur Nordsee würde Verluste produzieren. Für flüssigen Biokraftstoff hingegen könnte man mehr oder weniger konventionelle Pipelines und Tankschiffe nutzen – und auch die Tankstellen müssten nicht groß umgebaut werden. Aber auch noch ein anderer Einsatz ist denkbar: Der Biosprit könnte statt Pkw auch Fernverkehrs-Lkw, Schiffe und Flugzeuge antreiben und so zur Verzögerung des Klimawandels beitragen.