Die hässliche Plastikkarte – immer häufiger wird die Tankkarte in der Branche mit dieser Bezeichnung geschmäht. Denn längst arbeiten die großen Mineral- ölgesellschaften, Anbieter von Tankstellentechnik sowie Start-ups wie Tanktaler an digitalen Lösungen, die die klassische Tankkarte ersetzen sollen. Künftig lädt sich der Autofahrer einfach eine App auf sein Smartphone und zahlt damit entweder an der Kasse oder sogar direkt an der Zapfsäule – so weit die Idee.
Diesen Schritt in der Evolution des Bezahlens haben Drivenow und Total übersprungen: Nutzer des CarsharingJoint-Ventures von BMW und Sixt können seit Herbst 2016 in Berlin und seit April 2017 in Hamburg die Tankrechnung direkt über das Fahrzeugdisplay bezahlen. Das macht den Bezahlvorgang noch einfacher, schneller und entspricht damit noch stärker dem Convenience-Gedanken, sind die Partner überzeugt.
Darauf ist vor allem Drivenow angewiesen: Bei diesem Carsharing-Angebot sind die insgesamt 3.100 Fahrzeuge in den Innenbereichen deutscher Großstädte wie München, Berlin, Hamburg oder Düsseldorf verfügbar und können via Plastikkarte oder App geöffnet, genutzt und wieder innerhalb des definierten Einzugsgebiets abgestellt werden. Abgerechnet wird nach Fahrminuten, in denen auch die Kosten für den Kraftstoff enthalten sind.
Damit den Fahrzeugen nicht der Sprit ausgeht, gibt es zwei Möglichkeiten: Servicemitarbeiter von Drivenow tanken die PKW mit niedrigem Kraftstoffstand auf – oder die Kunden übernehmen diesen Job. Dabei wird der Fahrer bei einem Füllstand von unter 25 Prozent über das Display gefragt, ob er tanken möchte, und entsprechend zur nächstgelegenen Station des Akzeptanznetzes gelotst. Bisher erhielt der Drivenow-Nutzer über das Display den PIN-Code für die Tankkarte, die im Fahrzeug hinterlegt ist, und ging damit zum Zahlen an die Kasse. Von welcher Gesellschaft die Tankkarte stammt, variiert in jeder Stadt.
Beim digitalen Bezahlprozess tankt der Kunde, gibt die Nummer der Zapfsäule in das Display ein und wartet, bis der Kassierer im Tankstellenshop die Zahlung bestätigt. Dann kann er weiterfahren. Darüber, wie das System technisch funktioniert, halten sich Drivenow und Total bedeckt. Dort heißt es: „Das Drivenow-Fahrzeug kommuniziert über eine Mobilfunkverbindung mit dem BMWBackend, das BMW-Backend kommuniziert mit dem Total-Backend, das TotalBackend wiederum mit der Tankstelle. Genau diesen Weg geht der Prozess wieder retour.“
Anreiz durch Freiminuten
Damit der Kunde freiwillig das Tanken übernimmt, wird er mit 30 weiteren Freiminuten belohnt. Das reicht offensichtlich als Anreiz aus: „Rund 90 Prozent der Tankvorgänge werden bereits jetzt von den Drivenow-Nutzern übernommen – eine enorme operative Erleichterung für uns“, erklärt Drivenow-Pressesprecherin Aurika von Nauman. Sie hofft, dass dieser Prozentsatz noch weiter steigt, wenn die Kunden nicht einmal mehr in den Shop müssen, um die Rechnung zu begleichen.
Erste Zahlen aus Berlin bestätigen, dass die neue Bezahlform von den Kunden gut angenommen wird. „Hier finden im Drivenow-Netz etwa 170 Tankungen am Tag statt, die Hälfte an Total-Tankstellen. Davon nutzen wiederum bereits 75 Prozent die Option, digital über das Fahrzeugdisplay zu zahlen“, berichtet Total-Pressesprecher Burkhard Reuss. Natürlich habe man sich Gedanken darüber gemacht, ob durch das Bezahlen im Auto statt im Shop Umsätze durch fehlende Impulskäufe wegfallen. Eine Lösung könnte in Zukunft sein, dem Drivenow-Kunden über das Handy oder das Fahrzeugdisplay Angebote beispielsweise für das Bistro vorzuschlagen und ihn damit trotzdem in den Shop zu locken.
Überlegungen in diese Richtung gebe es bereits, doch konkret will sich Reuss darüber noch nicht äußern. Auch dazu, wann das digitale Zahlen in anderen Städten möglich sein wird, will der Total-Pressechef noch nichts sagen. Erklärtes Ziel sei es aber, das Angebot auszuweiten.
Weiterentwicklung für Flotten
Auch Möglichkeiten, das digitale Bezahlen auf andere Flotten auszuweiten, ist für Reuss denkbar: „Digitalisierung ist für uns ein großes Thema, weil dadurch die Bestandteile unseres Kerngeschäfts in den nächsten Jahren verändert werden. Die Tankkarte ist dabei sicherlich einer der ersten Bereiche, die davon betroffen sind.“ Daher könne er sich gut vorstellen, dass ein ähnliches System wie bei Drivenow in großen Flotten zum Einsatz kommt, indem man beispielsweise eine entsprechende On-Board-Unit in die LKW oder PKW einbaut. Nauman geht sogar noch einen Schritt weiter: „Das digitale Bezahlen ist im Endeffekt eine Vorbereitung auf das Zeitalter des autonomen Fahrens, bei dem sich das Fahrzeug irgendwann selbstständig betankt.“ Noch ist aber ein Fahrer notwendig, der am Ende das Knöpfchen drückt.
(Autorin: Annika Beyer; der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 7/2017.)