Gut Ding will Weile haben – das trifft auch auf den vierten Band der Reihe Atlas von Westfalen unter dem Titel „Mineralölwirtschaft und Tankstellen in Westfalen“ zu. Schon früher fesselten den Autor Karl Heinz Maurmann stadtgeografische und Standortfragen, eine Affinität, die den 74-Jährigen auch beruflich begleitete. Der Dortmunder arbeitete fast vier Jahrzehnte als Gymnasiallehrer für die Fächer Geschichte und Geografie, in Letzterem promovierte Maurmann sogar an der Universität Münster. Das Interesse für den speziellen Aspekt Tankstelle entstand in den 70er Jahren, als immer mehr Tankstellen in seinem Wohnumfeld oder auf der Strecke zum Arbeitsplatz schlossen. Eben dieses Verschwinden der Stationen beschäftigte Maurmann so sehr, dass er der Ursache auf den Grund gehen wollte.
„Doch mein Hauptberuf wurde zunehmend zeitraubender und so habe ich dieses Projekt immer wieder aufgeschoben“, berichtet der ehemalige Lehrer und stellvertretende Schulleiter. Als die Geographische Kommission in Münster, in der er Mitglied ist, vor etwa drei Jahren einige Themen vorschlug, die es mal zu bearbeiten gäbe, fiel das Stichwort Infrastruktur. „Ich dachte mir ‚verflixt noch mal, das wollte ich immer schon machen‘ und habe vorgeschlagen, mich um das Thema zu kümmern“, erinnert sich Maurmann. Doch der von der Kommission vorgegebene Raum von nur wenigen DIN-A4-Seiten reichte für die Komplexität des Themas nicht aus, sodass die Idee entstand, ein ganzes Buch daraus zu machen.
Unverschämt nachgefragt
Und so startete der Pensionär Anfang 2018 mit dem Projekt und war nach einem halben Jahr intensiver Recherche und Schreiben fertig mit dem 54 Seiten starken Buch. Nach der Durchsicht durch die Kommission und einigen Korrekturen kamen allerdings organisatorische Unwägbarkeiten dazu, die den Druck verzögerten. Seit Anfang März 2019 ist der vierte Band des Atlasses von Westfalen mit dem Schwerpunkt auf die Mineralölwirtschaft und Tankstellen zu kaufen.
Der Inhalt des Buches teilt sich grob zusammengefasst in zwei Teile, die sich zwar auf Westfalen konzentrieren, aber natürlich auch Trends im gesamtdeutschen Raum widerspiegeln. Im ersten Teil untersuchte Maurmann, wie sich die Versorgung der Kraftfahrer entwickelt hat, wie sich die Standortverteilung der Raffinerien im Laufe der Jahrzehnte verändert hat und welche Prozessstufen stattfinden, bis der Kraftstoff letztendlich an der Tankstelle angekommen ist. Als Recherchegrundlage nutzte der Dortmunder vor allem Fachliteratur. Zusätzlich kontaktierte er zahlreiche Aufsichtsbehörden und Verbände wie den Mineralölwirtschaftsverband und den Unabhängigen Tanklagerverband. „Ich habe die Unverschämtheit besessen, Informationen zu wollen, aber das hat auch meistens geklappt“, erzählt der 74-Jährige lachend.
Der zweite Teil konzentriert sich dagegen auf die Tankstellen und ihre Verbreitung. Hier leistete Maurmann wahre Sisyphusarbeit, da er keine genaue Anzahl der Stationen in Westfalen finden konnte. Mittels der Daten aus der Markttransparenzstelle konnte er Gemeinde für Gemeinde ermitteln, wie viele Tankstellen es dort gibt. Allerdings musste er am Ende alles noch einmal überprüfen, weil er auf namensgleiche Städte in verschiedenen Regionen gestoßen ist. Anhand der Postleitzahl und Straßennamen kontrollierte er also in einem zweiten Schritt, ob die Tankstellen wirklich in Westfalen liegen.
Überraschende Erkenntnisse
Und was hat den Autor bei der Recherche überrascht? „Mir war früher gar nicht klar, welche Bedeutung den Tanklägern bei der Treibstofflogistik zukommt“, gesteht Maurmann. Ebenfalls sei ihm nicht bewusst gewesen, wie wenig die Pächter eigentlich noch am Kraftstoffverkauf verdienen und wie wichtig daher zusätzliche Geschäftsfelder sind. „Das hat mich in der Deutlichkeit überrascht“, sagt der Historiker. Das Verständnis für die Nöte der Tankstellenbetreiber sei dadurch größer geworden.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 3.2019)